Das letzte Hemd
geeignet
schien, seinen Wunsch nach einem schmackhaften schwarzen Kaffee zu erfüllen –
ohne Vanilla-Hazelnut-Bratwurst-Flavor mit steif geschlagener Sahne on top oder was auch immer gerade angesagt war. Außerdem
sah er gerade, wie eine Gruppe junger Mütter dabei war, ihre Kinderwagen zu
einer Art Wagenburg vor dem Starbucks zusammenzuschieben. Bevor man hineinging,
mussten erst noch Windeln und iPhones geprüft werden, natürlich ohne auch nur
für den leisesten Moment auf die Idee zu kommen, dass man vielleicht anderen
Leuten im Weg war, die ebenso ein Anrecht darauf hatten, in Eingänge hinein-
oder aus Ausgängen hinauszugehen.
Rosenmair spürte wieder die Wut in sich aufsteigen. Er war schon
öfter mit solchen pseudohippen Müttern aneinandergeraten, da er es gewagt
hatte, etwas zu sagen, wenn ein Kind mit Bausteinen auf ihn einschlug, seine
Zeitung zerriss oder ihm Kakao über die Hose schütten wollte. Und die Reaktion
war immer gleich: Nicht etwa, dass diese Frauen ihrem Kind erklärten, dass man
das nicht macht. Nein, das wäre ja uncool und spießig! Natürlich dürfen die
kleine Tabea und der süße Leon immer machen, was sie wollen. Und dann kam immer
das Totschlagargument: »Haben Sie überhaupt Kinder?«
Rosenmair musste zugeben, dass er diese Frage schon ein paarmal
verneint hatte, manchmal aus Opposition, manchmal aber auch, weil ihm erst
später eingefallen war, dass er natürlich eine Tochter hatte. Das sagte viel über
seine Qualifikation als Vater. Aber trotzdem verstand er die Frage nicht. Waren
die Mütter einsichtiger, wenn man selbst Kinder hatte? Ganz sicher nicht. Die
beste Antwort war immer noch: »Nein, aber ich war selbst mal ein Kind und habe
gelernt, wie man sich benimmt, und das wird dem kleinen egoistischen Arschloch,
das Sie gerade heranziehen, ganz sicher nicht mehr gelingen.« Das kam natürlich
nie gut an bei denen, die immer davon ausgingen, dass der Rest der Menschheit
vor Ehrfurcht auf die Knie sinken musste, weil sie ja Mütter geworden waren.
Rosenmairs Mobiltelefon klingelte. Er ging schnell ran, schon aus
Selbstschutz vor dem furchtbaren Klingelton. Es war Becker, der ihm versichern
wollte, dass es dem Hund gut gehe. Zudem habe die Untersuchung der Brand- und
Explosionsursache endlich ergeben, dass es sich um vorsätzliche Brandstiftung
und Manipulation der Baustelle handelte. Vahrenhorst hatte ordentlich
nachgeholfen, oder besser: nachhelfen lassen. Man hatte hoch brennbares
Material an Stellen gefunden, wo es nun überhaupt nichts zu suchen hatte, dazu
Spuren von Brandbeschleunigern. Außerdem hatte man herausgefunden, dass das
Haus unter Denkmalschutz stand und Vahrenhorst mit seiner Billigsanierung nicht
weit gekommen wäre. Die Explosion war quasi ein geplanter Abriss gewesen. Das
war alles ganz clever eingefädelt und hätte auch super funktioniert, wären da
nicht Stöffel und die Hunde gewesen. »Also, danken Sie dem Kollegen und seinen
schnüffelnden Vierbeinern«, ergänzte Becker, ohne dass Rosenmair verstand, was
er damit meinte. Jedenfalls wusste er, dass er sich das Gespräch mit der
Versicherung jetzt eigentlich schenken konnte.
Nach Deibel und Vahrenhorst werde gefahndet, auch international,
allerdings hatten sich sämtliche Hinweise auf Deibels Aufenthaltsort – einige
Geschäftspartner glaubten ihn in Marokko, andere vermuteten, er habe einen Flug
nach Australien gebucht – einstweilen als Sackgasse erwiesen, »aber da sind die
Kollegen noch dran«.
Rosenmair meinte, das könnten sie sich sparen, viel wichtiger sei
eine andere Himmelsrichtung. »Wie sind eigentlich Ihre Beziehungen zur
dänischen Polizei?« Bevor Becker weitere Fragen stellen konnte, versicherte
Rosenmair, er werde ihm später alles erklären und ihm dann auch einen sehr
konkreten Tipp geben können. Aber dazu müsse er ins Hotel, wo er den Zettel mit
der Adresse habe. Dann legte er auf. Vahrenhorst würde sich eh nicht von da
wegbewegen, wo er jetzt war. Wenn er überhaupt da war.
Gegen fünfzehn Uhr, nach dem letztlich recht kurzen Gespräch bei
der Versicherung, war Rosenmair mit der U-Bahn zum Südstern gefahren und hatte
sich unterwegs von Berliner U-Bahnfahrern anschnauzen lassen. Das hatte fast
etwas Reinigendes, da war die Welt noch in Ordnung: Der Fahrgast war der
zahlende Arsch, der Fahrer der schlecht bezahlte König. In der Fichtestraße
wollte Rosenmair zu einem ihm von J.P. empfohlenen Italiener, um dort einen Tisch für abends zu reservieren, doch das
Restaurant
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