Das letzte Hemd
verkündete
wiederholt, das alles sei Deutschland. Dem konnte Rosenmair über seinem schon
wieder leeren Weinglas nur zustimmen: Ja, genau, das alles war Deutschland.
VIER
Larry langweilte sich. Seit einer halben Stunde saß er jetzt
im Auto und beobachtete die Straße im Wohngebiet beim Bunten Garten hinter der
Kaiser-Friedrich-Halle. Neben ihm lag ein Klemmbrett mit einer Liste von
Straßennamen und diversen Formularen. Darauf sollte er alle Besonderheiten rund
um das Thema Müll, Entsorgung und Sperrgut laut Paragraf hundertundnochwas
vermerken, der genaue Text stand auf seinem Auftragszettel des großen
Security-Unternehmens, für das er hier im Einsatz war. Auf Anhieb verstanden
hatte er ihn leider nicht und sich daraufhin seinen Auftrag
noch mal in schlichtem Deutsch erklären lassen müssen.
Im Kern ging es um wilde Müllkippen. Die Stadt Mönchengladbach hatte
mit immer mehr Sperrmüll zu kämpfen, der einfach irgendwo auf dem Bürgersteig,
an der Straße, gern auch neben Altglas- und Altpapiercontainern deponiert
wurde. Oft handelte es sich um kaputte Kühlschränke oder Computerbildschirme,
durchgesessene Sofas, meist in unfassbaren Mustern und Farben, oder
Lattenroste, vom einstigen Besitzer meist noch mit »zu verschenken«-Zetteln
versehen, als sei es die großzügigste Tat der Welt, den Mitmenschen seinen
alten Plunder zu überlassen. Beim letzten Mal, als er an solch einer Halde
vorbeigekommen war, hatte Larry zuerst »zu verbrennen« gelesen, was der
Realität eher entsprach.
Dabei lag es oft nicht mal an der fehlenden Bereitschaft der Bürger,
ihren Sperrmüll ordnungsgemäß zu entsorgen, sondern auch an der komplizierten
Regelung der Vorgehensweise. Auf der Homepage der Stadt konnte man sich zwar
über alles informieren, viel besser dran war man mit dem üblichen Mix aus alten
Möbeln, Teppichresten, Kleinteilen, Elektrogeräten und so weiter, den man
vielleicht gerade zu Hause hatte, danach aber meist auch nicht. Man musste
einen Termin zur Abholung vereinbaren, das konnte dauern, und dann durfte das
Sperrgut fünf Quadratmeter nicht überschreiten und auch nicht länger als zwei
Meter sein. Kleinteile waren ausgenommen, die sollte man gefälligst selbst zum
Recyclinghof bringen. Da kostete es aber dann etwas, wenn man eine bestimmte
Menge überschritt, was im Zweifel leicht passierte. Bevor sie diese ganzen
Bedingungen und Ordnungen auseinanderklamüsert hatten, stellten die meisten
ihren Kram halt lieber in den Wald. Oder an die Straße. Und natürlich waren
viele auch einfach zu faul oder zu geizig. Dann lieber ein paar Euro fuffzig
sparen, auf Kosten der Gesellschaft.
Die Stadt hatte inzwischen sogenannte »Müllsheriffs« im Einsatz, die
der Sache aber kaum Herr wurden, weshalb man nun überlegte, private Firmen in
die Kontrolle einzubinden. Und hier kamen Larry und sein Auftraggeber ins
Spiel. Das private Security-Unternehmen hatte ihn beauftragt, eine Zeit lang
eine Auswahl von Straßen zu beobachten, quer übers ganze Stadtgebiet verteilt,
und dabei bestimmte Vorkommnisse zu notieren. Im Grunde wollte die Firma
dadurch einen Eindruck gewinnen, mit welchem Aufwand und welcher »Manpower« man
später rechnen musste und vor allem: was man der Stadt in Rechnung stellen
konnte. Also fuhr Larry seit Tagen durch die Gegend, vom Ahrener Feld bis zum
Gestüt Zoppenbroich, von Bettrath bis Wanlo, und führte Buch über Ansammlungen
aller Art. Für ihn war das eine rentable Mischung aus Akquise und Analyse,
schließlich hatte er etliche Privat- und Firmenkunden, um deren Sicherheit, ob
virtuell oder real, er sich bereits kümmerte, und da konnte es nicht verkehrt
sein, sich in bestimmten Gegenden mal wieder umzusehen.
Was den Sperrmüll betraf, war er bereits zu der Erkenntnis gekommen,
dass es keineswegs die sozialen Brennpunkte waren, in denen sich
Müllkriminalität häufte. Sicher brannten die Mülltonnen eher in der
»Papageienviertel« genannten Hochhaussiedlung unweit vom Rheydter Schloss als
im Umfeld der privaten Schönheitschirurgiepraxen. Aber die kriminelle Energie,
was die kostengünstige Beseitigung von Altlasten, sprich: Sperrmüll, betraf,
war bei den Mitbürgern, die gleich mehrere Luxuskarossen unter den Carports
ihrer Villen stehen hatten, deutlich ausgeprägter. Auch aus diesem Grund konnte
Larry angesichts der gerade ständig in der Zeitung vermeldeten Fälle von
Brandstiftung bei teuren Autos nur ansatzweise so etwas wie Mitleid mit deren
Besitzern entwickeln. Das war
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