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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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Wenn sie singen
wollen, sollen sie in eine Karaoke-Bar gehen, davon gibt es in Düsseldorf doch
genug!«
    Marlene hatte versucht, ihn zu beruhigen und gemeint, das sei ja oft
nur eine Strophe, und er müsse ja auch nicht mitsingen. Was Rosenmair gleich
wieder empörte. »Na, danke, das ist ja sehr gnädig, das man nicht mitsingen muss . Das hatte ich auch gar nicht vor. Aber zuhören muss
man ja leider, auch wenn man die Ohren davor verschließen wollte, da hat man
gar keine Wahl!« Er hatte überlegt, dass er Larry unbedingt nach diesen
High-Tech-Ohrstopfen fragen musste, die er für seine komische Musik hatte. Dann
war sein Blick auf ein weiteres Detail der Veranstaltung gefallen, und er hatte
schlucken müssen. Da stand tatsächlich: »Es singt der Gospelchor der Jungen Union
Neuss-Gnadental«. Das waren wohl Philipps alte CDU -Kumpels,
mit denen er im Tennisverein gewesen war. Sogar ein eigenes Emblem hatte dieser
Chor. Der Schriftzug »Young Union from the Valley of Grace« verlief um ein
Gebilde, das so etwas wie ein katholisches Kreuz sein konnte oder die Bake an
einem Bahnübergang. Rosenmair hatte sich keinen Reim darauf machen können, war
aber sofort bereit gewesen zu glauben, dass Leute, die den Ortsteil Gnadental
mit »Valley of Grace« übersetzten, auch bunte Motivkrawatten und Socken trugen,
die eindeutig lustiger waren als sie selbst. Ob ihnen aber klar war, dass ihre
grob zusammengehauene Übertragung ins Englische im Heimatland der Gospelchöre
eindeutig auf eine Gewerkschaftsvereinigung verwies?
    Die kirchliche Trauungszeremonie ging ohne größere Störungen
über die Bühne, obwohl Rosenmair mehrfach versucht war, laut »Geht das auch mal
weiter?« oder »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!« zu rufen. Als es zu der
Frage des Pfarrers kam, ob denn jemand etwas gegen diese Verbindung einzuwenden
habe, griff Marlene warnend nach Rosenmairs Arm. Aber der Richter beließ es bei
einem Schulterzucken, verbunden mit theatralischem Augenrollen, was bei Marlene
wiederum zu einem Lachkrampf führte. Zum Glück begann der Chor, der sich als eine
nicht unbegabte Mischung aus Gospelsängern und einem traditionellen Barber
Quartett herausstellte, just in diesem Moment voller Inbrunst »Go Tell It on
the Mountain« zu intonieren, was Rosenmair zu einem geflüsterten »Aber der Berg
kann doch gar nichts dafür« veranlasste. Gegen Marlenes Lachkrampf half das
nicht.
    Eine Show für sich war der Auftritt von Ann-Britts Mutter.
Rosenmair hatte mit ihr außer über die Unterhaltszahlungen für die gemeinsame
Tochter keinerlei Kontakt gehabt. Auch vor dem One-Night-Stand, aus dem
Ann-Britt hervorgegangen war, hatte es keine Beziehung oder Affäre gegeben. Es
war ein Moment der Schwäche gewesen, den berühmtere Zeitgenossen in
Wäschekammern oder Teppichlagern hinter sich gebracht hatten, und auch Alkohol
war in nicht unerheblichem Maße im Spiel gewesen. Hendrike Steinhoff war damals
eine mondäne Erscheinung gewesen; wer alte Bilder von ihr sah, konnte sich gut
vorstellen, wie sie Männern reihenweise den Kopf verdrehte, eine Mischung aus
Uschi Obermaier und Veruschka von Lehndorff. Das hatte sie sich offenbar zu
Herzen genommen, denn Johanna Hendrike zu Steinhoff-Rickmers, wie sie sich
jetzt nannte, sah verlebt aus für zwei und albern für vier. Sie trug etwas
undefinierbar Wallendes, vom Stil her irgendwo zwischen orientalisch und
skandinavisch angesiedelt, aber auf jeden Fall teuer. Dazu ein sich farblich
deutlich absetzendes, sprich: nicht passendes Kopftuch, das aber dennoch nicht
verbarg, dass sie frisch vom Friseur kam. Dabei gehörte sie irgendeiner
obskuren Glaubensgemeinschaft an, die, wie sie jedem gleich erklärte, auf
Äußerlichkeiten keinen Wert legte. Ihr sündhaft teurer Schmuck, ein bisschen zu
groß, ein bisschen zu geschmacklos, schien mit dieser Glaubensmaxime nicht zu
kollidieren, auch ihr neuer Adelstitel nicht, denn das »zu« in ihrem Namen, das
sie immer ein bisschen zu sehr betonte, hatte es früher nicht gegeben. Von
ihrem schon vor einiger Zeit verstorbenen Ehemann Johann Rickmers, der
tatsächlich über mehrere Ecken mit der traditionsreichen Hamburger Reederfamilie
verwandt war, kam es jedenfalls nicht. Vielleicht hatte sie von dem, neben
nicht unerheblichen Werten, ja auch den Vornamen gewissermaßen geerbt, denn
diese Johanna war auch neu an ihr, und noch einiges mehr, wenn Rosenmair
Ann-Britt richtig verstanden hatte, die ihm irgendwann mal einen Teil der
ganzen Chose am

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