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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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Rosenmair sprach den Namen extra laut und deutlich aus
und beugte sich dabei zu dem Hund hinunter. Hätte der die Achseln zucken
können, er hätte es gemacht. Rosenmair richtete sich wieder auf. »Der Name
scheint ihm nicht so wirklich zu gefallen. Oder ist er vielleicht schwerhörig?«
In diesem Moment bellte der Hund zweimal auf seine seltsame Art, und Rosenmair
schüttelte den Kopf. »Nein, das klingt eher nach Sprachfehler. Waren Sie schon
beim Logopäden mit ihm?«
    Becker reichte Rosenmair schließlich der Einfachheit halber den
Fressnapf über den Zaun, und der Hund fraß zufrieden und mit gutem Appetit,
während seine beiden Aushilfsherrchen sich unterhielten.
    Rosenmair fiel ein, dass Becker vielleicht etwas über die Explosion
und den Unfall in der Lagerhalle wissen könnte, und lenkte das Gespräch jetzt
in diese Richtung. Becker bestätigte auch gleich, von dem Fall gehört zu haben,
doch er selbst sei damit nicht betraut. »Das macht ein alter Freund von Ihnen.«
    Rosenmair verdrehte kurz die Augen. »Stöffel, stimmt’s?«
    Becker nickte und beobachtete den Hund, dabei fragte er wie
nebenbei: »Was interessiert Sie denn an der Explosion in der Lagerhalle? Sie
kümmern sich doch sonst auch nur um Ihren eigenen Kram …«
    Rosenmair hüstelte und fühlte sich ertappt. »Na ja, meine Putzfrau,
also ihr Mann … Ich erkundige mich halt für sie, wenn Sie verstehen, was ich
meine.«
    Becker verstand zwar nicht, sah aber eine Chance, das zu seinen
Gunsten zu nutzen. »Also, wenn Sie nun wirklich etwas über diese Geschichte in
Erfahrung bringen wollen …«
    Rosenmair sah ihn abwartend an, er wusste, dass es jetzt um die
Bedingungen gehen würde.
    Becker hob den blank geschleckten Fressnapf hoch und drehte ihn
demonstrativ in seinen Händen. »Ich könnte mich natürlich beim Kollegen Stöffel
erkundigen, auf dem kurzen Dienstweg gewissermaßen.« Er sah den Richter
vielsagend an, der aber immer noch nicht zu erkennen gab, dass er die
Andeutungen verstand. In diesem Moment bellte der Hund zweimal kurz und legte
sich zufrieden zu Rosenmairs Füßen hin. Er wedelte mit dem Schwanz und sah die
beiden Männer an, als wollte er sagen: Na, wie wär’s mit Nachtisch, Leute?
    Becker deutete mit dem Napf auf den Hund. »Vielleicht könnten Sie
ihn ja dann zwischendrin mal nehmen, für eine gewisse Zeit?«
    Rosenmair zog die rechte Augenbraue hoch. »Aha, darum geht’s. Und
was ist eine gewisse Zeit?«
    »Nicht lange.« Becker hob beschwichtigend die Hände. »Zwischendurch
halt mal. Für mich ist das mit meinem Job nicht ganz so einfach. Vielleicht
können Sie mittags mal nach ihm gucken, ihm zu fressen geben …« Er sah auf den
inzwischen zu Rosenmairs Füßen zufrieden eingeschlummerten Hund. »Er scheint
sich bei Ihnen ja auch ziemlich wohlzufühlen.«
    Aber Rosenmair reichte das nicht als Begründung. »Der würde sich bei
jedem wohlfühlen, der ihn füttert.«
    Dennoch willigte er schließlich ein, sich – »auf Probe!« – die
nächsten Tage um den Hund zu kümmern, ihm mittags zu fressen zu geben und mit
ihm Gassi zu gehen. Danach würde man sich noch einmal unterhalten, ob das
Arrangement für sie beide funktionierte, das hieß eigentlich: für sie drei.
Wenn es nicht ginge, so Rosenmair, dann würde er eben höchstpersönlich nach
Berlin fahren, um Erkos Frauchen ausfindig zu machen. Becker nickte und dachte
bei sich, dass er das Rosenmair tatsächlich zutrauen würde. Dann weckte er den
schlafenden Hund, auch wenn man das niemals tun sollte, wie er ein bisschen
übermütig feststellte. Aber das behielt er lieber für sich. Stattdessen
erklärte er Rosenmair, dass er seinen Zweitschlüssel morgen früh in dessen
Briefkasten werfen werde, der Hund wäre dann auf seiner Terrasse. Er selbst
müsse früh nach Düsseldorf, als Verbindungsmann für die dortigen Kollegen bei
dem Fall eines schwer verletzten Landespolitikers.
    Rosenmair wurde hellhörig und nahm sich vor, Becker bei nächster
Gelegenheit ein bisschen auszuhorchen. Es könnte vielleicht wirklich
lohnenswert sein, sich um Beckers Pflegehund zu kümmern.

FÜNF
    Was, wenn er stirbt? Philipp Lindner zuckte innerlich ein
klein wenig zusammen bei diesem Gedanken. Aber eben nur ein klein wenig.
Charakterlich stärkeren Menschen hätte es vielleicht einen größeren Schrecken
eingejagt, dass sie so etwas überhaupt nur dachten, er kam nicht mal auf diese
Idee. In der Politik und im Krieg war alles erlaubt – hatte das nicht mal
Napoleon gesagt?

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