Das letzte Hemd
berühmter Rockmusiker ging und wohl speziell um die
Frage, ob Ersticken an Erbrochenem gesellschaftlich höher einzuschätzen war als
eine ganz normale Überdosis. Rosenmair erkannte den Blonden, dem er schon
häufiger begegnet war und der ihn auch gleich mit einem freundlichen Winken
begrüßte. »Ah, der Herr Richter! Mit ungewöhnlichen Todesarten hattest du in
deinem Job doch sicher auch ohne Ende zu tun, oder?«
Rosenmair winkte ab. »Aber die haben nur ganz selten gesungen, ob
vorher oder nachher.«
Der Blonde nickte wissend. »Und sonst? Irgendwelche Kenntnis
ungewöhnlicher Musikertode?«
»Keine Ahnung, Frank Sinatra starb ja wohl eines natürlichen Todes.
Aber hier, Buddy Holly, ist der nicht mit dem Flugzeug abgestürzt?«
Die Gruppe in der Küche nahm begeistert die neue Diskussionsrichtung
auf, schnell schwirrten Namen von Musikern durch die Luft, die in Folge von
Abstürzen oder anderen Unfällen das Zeitliche gesegnet hatten: »Falco.«
»Glenn Miller.«
»Dieser ›La Bamba‹-Typ, der mit Buddy Holly im Flugzeug saß.«
»Und Rex Gildo.«
»Quatsch, der ist aus dem Fenster gesprungen, das war Selbstmord.«
»War dann aber ja auch so eine Art Absturz.«
»War Rex Gildo denn überhaupt Musiker?«
»Und ist ›Buddy Holly‹ nicht ein Song von Wilco?«
»Nee, von Weezer.«
Rosenmair hörte fasziniert zu und konnte gar nicht glauben, was
diese Leute so an unnützem Wissen mit sich rumschleppten, als Larry zur Tür
hereinkam. Er bedeutete Rosenmair, schon mal vor in sein Büro zu gehen, und
beteiligte sich umgehend mit einem gut gemeinten »Michael Hutchence?« an der
Diskussion, die sich daraufhin sofort in Richtung abartiger Sexualpraktiken als
Todesursache entwickelte.
Fünf Minuten später ließ Larry sich in dem bequemen Ledersessel
neben seiner als Globus getarnten Spirituosenbar nieder und begrüßte erst
einmal ausgiebig den Hund. Rosenmair sah sich um und bemerkte den aufgeklappten
Laptop – Larrys hauptamtlicher »Superduper-Rechner«, wie er ihn immer nannte,
der von außen aussah wie der billigste Discounter- PC ,
in sich aber Technik vom Allerfeinsten verbarg. Auf dem Bildschirm bewegten
sich bunte Matrizen auf und ab und hin und her, irgendetwas schien mächtig mit
Rechnen beschäftigt zu sein. Larry bemerkte den Blick und grinste. »Sieht super
aus, ne?«
Rosenmair verrenkte sich noch ein bisschen mehr den Hals und
versuchte, irgendeine Art von Logik zu erkennen. Dann gab er auf. »Ich hab
nicht den blassesten Schimmer, was der da macht – respektive du.«
Larry lachte laut. »Nein, was der macht,
ist schon richtig gesagt, das macht er nämlich von ganz allein.« Er stand auf
und klappte den Bildschirm zu. »Im Grunde ist das nichts anderes als
Beschäftigungstherapie für Maschinen.« An der Seite des Rechners leuchtete in
regelmäßigen Abständen ein blaues Licht auf, als atme der Rechner im
Schlafmodus.
Larry suchte nach der Fernbedienung des in die unfassbar spießige
Wohnzimmerschrankwand eingelassenen Fernsehers. Er hatte die Einrichtung seines
ziemlich großen, in zwei Teile gegliederten Büros fast ausnahmslos aus
Möbelversteigerungen pleitegegangener lokaler Firmen bestritten, vornehmlich
einer Textilmaschinenfabrik aus Mönchengladbach, einstmals größter Arbeitgeber
in der Stadt. Die gewaltige Schrankwand aus dem Büro des
Textilmaschinenfabrikanten stand samt gepolsterter Zwischentür mitten im Raum
und trennte den Bereich gediegener Kirschholzgemütlichkeit mit
Wirtschaftswundertouch im vorderen Teil von dem Chaos 2.0 der aus Unmengen
von Kabeln, elektronischen Bauteilen und anderen rätselhaften Geräten
bestehenden Kreativ-Dotcom-Höhle im hinteren Teil. Und nur wer Larry gut genug
kannte, wusste, dass sein Reich das vordere war.
Der Fernseher ging an, man sah NRW -Ministerpräsident
Jürgen Rüttgers vor einer Trennwand, die mit den Wappen des Bundeslandes und CDU -Logos übersät war. Rüttgers sprach ruhig und wirkte
beinahe überzeugend, denn Larry hatte den Ton nicht eingeschaltet. Rosenmair
beugte sich zu dem Hund hinab, der wie gebannt auf den Bildschirm starrte, und
kraulte ihn.
Larry beobachtete die beiden eine Zeit lang amüsiert und griff dann
nach den Unterlagen, die Rosenmair mitgebracht hatte. »Das sind also die
Schreiben der Versicherungsfuzzis.« Er blätterte darin und stöhnte übertrieben
theatralisch. »Oh Mann, warum muss das eigentlich immer so kreuzlangweilig
sein? Und so verschwurbelt – hier, bei dem Absatz verstehe ich
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