Das letzte Hemd
britische Armee, schon gar nicht bei einem Verbrechen
auf deutschem Boden. Er nickte eifrig und wollte schon losstürmen, als Becker
ihn noch einmal stoppte. »Sagen Sie, Stöffel, wie sieht’s denn eigentlich mit
der Explosion in der Lagerhalle aus, ist das jetzt geklärt?«
Stöffel legte den Stapel mit den Unterlagen wieder ab und schüttelte
den Kopf. »Nein. Die Hunde haben zwar etwas gefunden, aber es war nicht
eindeutig zuzuordnen. An der Baustelle wurde ja mit allen möglichen Substanzen
gearbeitet, auf meinem Schreibtisch liegt eine ganze Liste, da könnte auch so
etwas wie Brandbeschleuniger drunter sein. Sie wollen jetzt noch einmal einen
Vergleichstest machen, mit anderen Hunden. Wir haben außerdem Zeugen, die
ausgesagt haben, dass manchmal spätabends noch Bauarbeiter auf der Baustelle
waren. Laut den uns vorliegenden Unterlagen wurde auf der Baustelle aber nicht
im Mehrschichtbetrieb gearbeitet. Wir gehen da derzeit sehr vorsichtig vor,
denn entweder hat Vahrenhorst auf der Baustelle Schwarzarbeiter beschäftigt,
oder es lief noch was ganz anderes. Da sind wir aber dran, Chef. Morgen kommen
nun aber erst einmal die anderen Hunde.« Stöffels Augen glänzten. »Da wollte
ich sowieso mit Ihnen noch drüber sprechen, weil, äh, da würde ich gern hin,
äh, zur Sicherheit …«
Becker merkte gleich, dass Stöffels Interesse sich vor allem auf die
Hunde bezog. Er würde ihn doch irgendwann mal mit Erko und Rosenmair
zusammenbringen müssen, vielleicht verstand man sich dann besser, Polizist und
Hund und Richter. »Wann ist denn dieser Test?«, fragte er eher pro forma.
»Morgen Nachmittag, ich kann mir nicht vorstellen, dass es lange
dauert.«
Becker nickte zustimmend. »Gut, dann machen Sie das. Danach können
Sie bei unseren britischen Freunden vorbeischauen.«
Stöffel strahlte ihn an und war schon durch die Tür. Becker blieb
etwas erstaunt zurück. Ob sich dieser Elan zukünftig auch in den anderen
Bereichen der Arbeit zeigte? Man würde sehen. Er griff wieder nach den
Strüssendorf-Unterlagen und setzte seine Lektüre fort.
***
Inzwischen hatte Rosenmair seinen Freund J.P. telefonisch erreicht und einen Tisch für zwei für den nächsten Abend bestellt.
Er war darauf vorbereitet, umständlich erklären zu müssen, mit wem er denn da
zum Essen kommen wollte, aber J.P. wirkte
abwesend. Er rechnete immer noch mit dem Besuch des Restaurantkritikers und war
deswegen nach wie vor unsicher. »Ich überlege, ob ich ihm nicht einfach sage,
wir wären ausgebucht oder hätten zu.«
»Quatsch, natürlich habt ihr auf! Wie kommst du überhaupt an diesen
Kritikerhansel?«
»Über einen Stammgast, der immer wieder durchblicken lässt, dass er
mit einem ganz wichtigen Gastrokritiker befreundet ist.«
Rosenmair schnaubte verächtlich. »Ach Gott, wie wichtig. Klingt ja
schön scheiße. Und nach einem wichtigtuerischen Angeber.«
»Ist er auch. Aber seine Frau ist sehr nett.«
»Meine auch, äh …« Rosenmair merkte, dass er zu spontan reagiert
hatte und Gefahr lief, sich zu vergaloppieren.
J.P. ging denn auch sofort darauf ein.
»Mit wem kommst du morgen eigentlich, Max? Wer ist deine geheimnisvolle
Begleitung? Max? Max?!«
Doch Rosenmair hatte aufgelegt.
Larry war noch unterwegs, als Rosenmair samt Hund Erko auf
dessen Bauernhof in Niederkrüchten ankam. Der Richter ließ den Wagen quer in
der Einfahrt stehen und ging ins Haupthaus. In Larrys Wohnküche war immer
irgendwer, das hatte Rosenmair inzwischen verstanden, wenn er auch selten
einordnen konnte, in welchem Verhältnis die ihm meist unbekannten, aber stets
sehr freundlichen Menschen zu Larry standen. Einige »schraubten« für ihn, wie
Larry es nannte, an irgendwelchen Software-Internetlösungen, die Rosenmair beim
besten Willen nicht einmal erklärt haben wollte. Dann gab es eine unüberschaubare
Menge an Musikern, die in den Proberäumen in den benachbarten Stallungen
anscheinend rund um die Uhr Musik machte, Aufnahmen vorbereitete, für Auftritte
übte und unermüdlich dabei war, kryptisch aussehendes und meist sehr schweres
Equipment von einem Ort zum anderen zu tragen. Man konnte zu fast jeder Tages-
und Nachtzeit irgendwelchen Menschen begegnen, die schrankgroße Verstärker, an
überdimensionale Hutschachteln erinnernde Schlagzeugkoffer oder sargähnliche
Kisten mit Tasteninstrumenten durch die Gegend schleppten und meistens wild
dabei fluchten.
In der Küche war gerade eine Diskussion im Gange, bei der es
anscheinend um die Todesart
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