Das letzte Hemd
in sein Mobiltelefon sprach, was sehr unüblich für
Rosenmair war. An und für sich vermied er es, während des Telefonierens noch
weitere Dinge zu erledigen. Zuletzt hatte ihn eine junge Frau auf ihrem Fahrrad
fast über den Haufen gefahren, weil sie telefonierend um die Ecke kam,
natürlich auf dem Fußweg und ohne abzubremsen. Als Rosenmair sich lautstark
beschwerte, schleuderte sie ihm ein »Geh sterben, Alter!« entgegen und fuhr
einfach weiter. Rosenmair schnappte sich im letzten Moment ihre Handtasche aus
dem Fahrradkorb, warf sie über eine Mauer in den angrenzenden Garten und
meinte: »Geh suchen, Mausi.«
Während er Larry in die Küche dirigierte, sprach Rosenmair weiter in
sein Telefon. »Gut, Herr Winkens, ich komme dann heute um drei vorbei. Ja, das
finde ich. Okay, vielen Dank. Bis dann, ja, tschö.« Er drückte auf den roten
Knopf.
»Tschö? Hab ich das gerade richtig gehört?« Larry grinste breit.
Rosenmair schnitt eine Grimasse und legte das Telefon zur Seite.
Ungefragt schenkte er Larry Kaffee ein. Dann deutete er auf sein Mobiltelefon.
»Das war Werner Winkens, der ehemalige Personalleiter bei Vahrenhorst. Der
wohnt gleich um die Ecke, in Brüggen.«
»Ah ja, Brüggen sehen und sterben.« Larry gähnte ausgiebig.
»Hä? Wieso sterben?« Rosenmairs Gesicht war ein einziges
Fragezeichen.
Larry grinste wieder und trank einen Schluck. »Vergiss es, Rosi,
Filmbezug. Kannst du dir aber ruhig mal anschauen, ist ein echt guter Film.«
Rosenmair war nicht viel weiter. »Es gibt einen Film über Sterbende
in Brüggen? Wer will das denn sehen? Und nenn mich nicht Rosi.«
Larry winkte ab. »Brügge, nicht Brüggen, das war nur ein Spaß … Aber
der Film ist wirklich gut und Brügge, das ist in Belgien, tatsächlich
sehenswert. Sollten wir mal hinfahren.«
Der Richter lachte. »Wir beide? Na dann, viel Spaß.«
»Warum nicht? Wär bestimmt lustig. Du könntest Belgier und/ oder
Touristen beschimpfen, und ich hätte meinen Spaß.«
Das konnte Rosenmair nur bestätigen. Er deutete auf das Bündel
Papier, das Larry immer noch in der Hand hielt. »Ist das das, wofür ich das
halte?«
»Das war aber jetzt viel das«, meinte Larry und reichte ihm die
Zettel. »Ja, das ist das. Ich hab ja gesagt, dass ich mich mal informiere.
Knallharte Recherche zu deinem Restauranttester.«
Rosenmair nahm die Zettel an sich. »Danke. Meine Begleitung heute
Abend ist übrigens deine Maklerin.« Bevor Larry etwas dazu sagen konnte, hatte
Rosenmair ihn schon in Richtung Haustür geschoben und verabschiedet.
Kurz danach klingelte Rosenmairs Mobiltelefon. Er dachte zuerst,
Larry wollte doch noch irgendeinen blöden Spruch loswerden, aber die Rufnummer
war unbekannt.
Er meldete sich. »Rosenmair.«
Eine geschäftsmäßig aufgekratzte Stimme drang an sein Ohr: »Spreche
ich mit Herrn Max M. Rosenmair?«
Das konnte nichts Gutes bedeuten. »Worum geht’s?«
»Herr Rosenmair, Sie sparen doch sicher gern, oder?«
Er ahnte, was dahintersteckte. »Nein.«
Die Antwort brachte die Call-Center-Dame aus dem Konzept. Ȁh, aber
jeder spart doch gern irgendwo, nicht?«
Rosenmair schaltete auf stur. »Ich nicht. Ich gebe gern Geld aus,
mit beiden Händen.«
Irgendwie musste die Frau wieder den Weg in ihren gelernten Text
finden, deshalb ignorierte sie einfach Rosenmairs letzten Satz. »Sehen Sie, und
da kommt unser neuer Thats-what-friends-R-4-Tarif ins Spiel. Da können Sie vier
Freunde gleichzeitig zu einer Konferenz zusammenschalten.«
»Und wenn ich das nicht will?«
Die Frage irritierte die Frau, das war nicht vorgesehen. »Ja, ha ha,
die Auswahl ist Ihnen natürlich völlig freigestellt. Sie müssen nur vorab die
Nummern angeben, und schon kann’s losgehen mit der Konferenz.«
Jetzt hatte Rosenmair keine Lust mehr. »Ach wissen Sie, ich hab gar
nicht so viele Freunde.«
Doch die Telefonmitarbeiterin ließ sich nicht abbringen. »Die
Freunde können Sie natürlich vorab per SMS informieren.«
»Dass sie meine Freunde sind? Hören Sie, wenn es so weit ist, dass
ich mit Freunden telefonisch eine Konferenz abhalten muss, dann gebe ich Ihnen
persönlich Bescheid, und Sie kommen einfach ganz ungezwungen dazu, okay?«
Rosenmair legte auf. Unfassbar, was man sich heutzutage alles
anhören musste.
***
Becker war unruhig – ach was, unruhig, innerlich hatte er schon
mehrfach das Polizeipräsidium umrundet, so ungeduldig erwartete er Larrys
Eintreffen und die neuen Informationen. Deshalb hatte er auch nur mit
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