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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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Glory‹, so heißt das Stück. Von Robert Hall, einem
bekannten Marschmusikkomponisten Ende des 19. Jahrhunderts, das hab ich
gerade nachgelesen. Und jetzt kommt’s: In dem Film, aus dem der Marsch stammt,
geht es unter anderem um den Untergang einer Blaskapelle!« Larry sah Becker an.
»Ich glaube, Sie müssen mal überprüfen, ob und wo es zu einem Unglück mit einer
Marschkapelle gekommen ist.«
    ***
    Fast den ganzen Vormittag hatte sich Max Rosenmair mit
Versicherungsfragen herumgeschlagen, Unterlagen gewälzt und im Internet
recherchiert. Jetzt war er so weit, gar nichts mehr zu verstehen, aber sofort
zu glauben, dass, wer auch immer Versicherungen und ihre Bedingungen erfunden
hatte, grundsätzlich für alles Schlechte in dieser Welt verantwortlich zu
machen war. Und außerdem wahrscheinlich auch noch den Schnaps gemacht hatte. Er
lachte kurz bei diesem albernen Gedanken. Wenigstens hatte er Frau Kolbich in
einem Telefonat Mut zusprechen können. Die gute Nachricht war, dass es ihrem
Mann nach und nach ein bisschen besser ging, allerdings konnte er sich an kaum
etwas erinnern, was mit dem Unfall zu tun hatte. Laut des behandelnden Arztes
konnte die Erinnerung wiederkommen, aber man wusste nicht, ob und wann.
Kolbichs alter Chef, Otto Deibel, war offensichtlich untergetaucht, jedenfalls
wusste niemand, wo er zu finden war, wohl nicht einmal Frau Kindermann. Und sein
neuer Chef, wenn man so wollte, Vahrenhorst, war laut Auskunft seiner
Sekretärin, die das verwaiste Büro bewachte, längerfristig im Urlaub. Immerhin
suchte die Polizei nach beiden, wie sie ihm versehentlich verraten hatte.
    Er sah auf die Uhr. Bis Brüggen waren es gerade mal zehn Minuten,
fünf, wenn Rosenmair sein apricotfarbenes Spielmobil mal an die Grenzen seiner
Übermotorisierung bringen würde. So oder so, er sollte sich auf den Weg machen.
    Über den Westring fuhr der Richter eher gemächlich nach Brüggen hinein.
Er überquerte die Roermonder Straße, die einen, wenn man ihr weiter folgte, in
knapp zehn Minuten nach Holland brachte, bog vor dem Friedhof links und dann
gleich wieder rechts ab. Werner Winkens wohnte im Platanenweg und wartete schon
mit Kaffee auf ihn. Aus einem Vollautomaten.
    »Praktisch, nicht?«, meinte er und reichte Rosenmair eine Tasse mit
nicht mehr wirklich heißem Kaffee. »Früher musste man ja immer mit Filter und
Pulver hantieren, das war doch immer so umständlich.« Rosenmair sagte nichts,
bewegte nur den Kopf, was man unter Umständen für ein Nicken hätte halten
können. Er wusste beim besten Willen nicht, was daran umständlich sein sollte,
Kaffeepulver in einen Filter aus Papier zu löffeln und Wasser in eine Kanne zu
füllen. Aber die Leute taten heute so, als habe man früher jede einzelne
Filtertüte erst aus Bütten schöpfen und von Hand in Form schneiden,
Kaffeebohnen zwischen zwei Felsblöcken mühsam zermahlen und das Wasser manuell
von einer kilometerweit entfernten Quelle herschleppen müssen. Aber er sagte
nichts, erst einmal. Schließlich wollte er noch etwas von dem Mann.
    Winkens war ein eher kleiner, hagerer Mann mit einem scharf
geschnittenen Gesicht, das ein bisschen an einen Raubvogel erinnerte. Das
dichte Haar trug er kurz in einer Art, die sich wahrscheinlich in den letzten
fünfunddreißig Jahren nicht verändert hatte. Er wirkte wie ein Mann, der
eigentlich viel zu viel zu tun hatte für den Ruhestand. Jetzt sah er Rosenmair
erwartungsvoll an, ergriff dann aber doch als Erster das Wort. »Und Sie sind
jetzt mit dem alten Lindner verwandt, habe ich gehört?«
    Rosenmair wollte gerade entrüstet lospoltern, man könne keineswegs
von Verwandtschaft im Besonderen, ja noch nicht mal im Allgemeinen sprechen,
als er das spöttische Lächeln um Winkens Mund registrierte. Gut, der Mann
schien Humor zu haben – wenn man über solch ein Thema auch eigentlich keine
Scherze machte, nicht mal schlechte. Also grinste Rosenmair nur schief und
antwortete: »Könnte man meinen.«
    Winkens nickte zufrieden. Sie saßen im Wintergarten. Er drehte sich
um in Richtung Tür und zündete sich dann eine Zigarette an. Offenbar sollte
seine Frau nicht sehen, dass er rauchte, auch wenn sie den Rauch sicher riechen
würde. Er bot auch Rosenmair eine Zigarette an, doch der lehnte ab.
»Nichtraucher.«
    »Sie Glücklicher.« Winkens rauchte und sah keineswegs unglücklich
dabei aus. Dann deutete er mit der Zigarette auf Rosenmair. »Sie wollen also
tatsächlich etwas über Vahrenhorst erfahren,

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