Das letzte Hemd
können. Sie können das doch bestimmt noch lauter
machen, filtern, verstärken, was auch immer.«
Larry sah den Kommissar mit einem spöttischen Zug um den Mund an.
Normalerweise waren es die echten Polizisten, die sich darüber aufregten, dass
in Film und Fernsehen jedes Bild mit zwei Mausklicks gestochen scharf
vergrößert, jeder verrauschte und verzerrte Mitschnitt mit »irgendwelchen
Filtern« plötzlich glasklar hörbar gemacht werden konnte. Und jetzt erwartete
er genau so etwas.
Aber natürlich hatte Becker prinzipiell recht, und in Zeiten von
Internet und Smartphones, die per App jeden Song im Nu erkannten, dürfte das
auch kein allzu großes Problem sein.
»Und Sie sind ganz sicher, dass die klassische Musik nicht aus dem
Film ist, diesem …«
»V wie Vendetta«, antwortete Larry, während er eine Kopie der
Filmdatei auf Beckers Rechner sicherte. »Ich werde das noch checken, aber ich
bin sicher, dass in dem Kinofilm an dieser Stelle andere Musik zu hören ist und
auch Textpassagen.«
Becker kaute an einem Filzstift. »Die Musik hat doch sicher etwas zu
bedeuten, die ändert man ja nicht einfach nur so.«
Als Larry den Film noch einmal abspielte, kam Beckers Kollege
Lentzen herein, um ihm ein paar Unterlagen zu bringen. Als er die Musik hörte,
pfiff er anerkennend und meinte im Rausgehen: »Na, wer hätte gedacht, dass der
Kollege Becker auf seine alten Tage noch seine Liebe zum Ballett entdeckt …«
Becker rief ihn zurück, doch bevor er ihn fragen konnte, wieso
Ballett, schaltete Larry sich ein. »Ich bin mittlerweile ziemlich sicher, dass
es sich wirklich um den 11. Februar 1985 handelt. Wieso, erkläre ich
später. Jedenfalls war es den Leuten, die diesen Film gemacht haben, sehr
wichtig, dass man darauf kommt. Und ich habe mir die Schrifttafel noch einmal
genauer angesehen. Das scheint ein Foto zu sein, ein Standbild, mit veränderter
Schrift, in Photoshop oder so. Hier an den Rändern kann man das erkennen. Sie
sollten unbedingt herauskriegen, was sich hinter dem Kürzel » LBR « verbirgt. Vielleicht ein Autokennzeichen?« Er sah
Becker an, der wiederum Lentzen ansah beziehungsweise dessen Rücken, denn der
war mit den Worten »Ich überprüf das!« rausgestürmt.
»Und was war jetzt mit dem Ballett?«, brummte Becker und ging ihm
nach. Larry wollte ihn erst aufhalten, doch dann ließ er es lieber bleiben. Er
würde dem Kriminalhauptkommissar noch früh genug erklären müssen, was es mit
seiner Hackeraktion und der Website des NATO -Musikfestes
auf sich hatte.
»Romeo und Julia.« Becker schwenkte triumphierend einen Zettel,
als er wieder zurück in sein Büro kam.
Larry setzte die Kopfhörer ab und sah ihn erwartungsvoll an. »Und
wer ist wer?«
»Quatsch. Ihre klassische Musik, das Ballett. Das ist ›Romeo und
Julia‹.« Er blickte auf den Zettel. »Sergej Prokofjew, um genau zu sein.« Er
sprach den Nachnamen »Pro-koff-jeff« aus, wie es vielleicht Hennes Weisweiler
getan hätte, der einst im Fernsehen für eine traditionsreiche Kölner
Schokoladenfabrik warb.
Larry tat wenig beeindruckt. »Prokofjew? Spielt der nicht bei
Dortmund?«
Becker ging darauf gar nicht ein. »Das Musikstück ist der ›Tanz der
Ritter‹.« Er dachte laut nach. »Romeo und Julia. Vielleicht steckt ja eine
tragische Liebesgeschichte dahinter …«
Larry lachte kurz und trocken. »Ja, und deshalb nimmt jemand
Sequenzen aus einem Film, in dem es um den bewaffneten Kampf gegen faschistoide
Unterdrücker geht, spielt sie auf die Blackbox eines Militärfahrzeugs und
zündet es dann an.« Er blickte auf sein Smartphone, das sich gerade mit einem
dezenten Signal gemeldet hatte. »Also, ich halte das für eher
unwahrscheinlich.«
Becker wollte gerade dagegenhalten, obwohl auch er von seiner
Theorie nicht wirklich überzeugt war, ja nicht einmal wirklich eine Theorie hatte,
doch Larry war aufgesprungen und hatte sich wieder an den Computer gesetzt. Er
tippte, las, nickte, las weiter und sah Becker an. »Ich habe Ihren Marsch
gefunden, manchmal sind Chatrooms doch gar nicht so doof. Und Sie werden es
nicht glauben: Der hat auch was mit einem Film zu tun.«
»Also ist unser Täter Filmfan?«
»Jedenfalls hat er nicht den schlechtesten Geschmack. Aber viel
wahrscheinlicher ist, dass er einen Sinn für Theatralik und Inszenierung hat.
Das verrät schon der Name des Stückes.«
Becker verdrehte die Augen. »Jetzt machen Sie’s nicht so spannend,
oder muss ich Sie erst offiziell vorladen?«
»›Death or
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