Das letzte Kind
klang bitter. »Witzig.«
»Das ist kein Witz. Das ist einfach dumm, Johnny. Das ist geisteskrank.«
»Du steigst nicht aus. Das hast du versprochen.«
Jack rappelte sich auf, und Funken sprühten aus dem Feuer. »Herrgott, Johnny. Der Kerl hat gerade zwei Leute umgebracht. Er bringt uns auch um. Todsicher.«
Johnny stand auch auf. »Darum hab ich den hier mitgenommen.« Er zog Steves Revolver aus dem Halfter. Feuerteufel tanzen auf dem Stahl.
»Du bist wahnsinnig.«
»Und du kommst mit.«
Jack sah sich um, als suche er Hilfe. Aber niemand war da. Nur Licht und Dunkel und der lastende Himmel. Jack spreizte die Hinde und sah ihn flehentlich an. »Es ist ein Jahr her, Johnny.«
»Sag es nicht!«
Jack schluckte und warf einen verzweifelten Blick auf das Gebüsch hinter dem Feuer. Und dann sagte er es doch. »Fuck, sie ist tot, Mann.«
Johnny schlug mit aller Kraft zu. Er traf Jack seitlich im Gesicht, und Jack ging zu Boden. Johnny stand über ihm. Sein Atem war wie Glas in seiner Kehle, und der Revolver lag wie eine tote Last in seiner Hand. In diesem Augenblick war sein ältester Freund nicht sein Freund, sondern sein Feind, und Johnny fragte sich, wie er je auf den Gedanken gekommen war, dass Jack etwas anderes sein könnte. Dann sah er das Entsetzen in Jacks Gesicht.
Die heiße Glut erlosch, und Johnny sah den Himmel, der plötzlich schwarz und riesig erschien. Er sah sich mit Jacks Augen und wusste — verdammt, er wusste —, dass er verrückt war. Aber das änderte nichts.
»Ich muss dahin.« Johnnys Faust öffnete sich. Jack rutschte rückwärts über den Boden. »Bitte lass mich nicht allein gehen.«
DREIUNDDREISSIG
H unt fuhr Katherine Merrimon zurück zu dem kleinen Haus am Stadtrand. Er versuchte kurz, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber sie reagierte nicht. In der Einfahrt hielt er an, spähte durch die Scheibe und runzelte die Stirn. »Als Sie vorgestern Nacht den fremden Wagen auf der Straße gesehen haben, wo stand er da?«
Katherine streckte den Zeigefinger aus, und Hunt schaute die Straße hinauf, vorbei an der Laterne. »Er stand einfach da, mit laufendem Motor. Ich hatte ihn noch nie gesehen.«
»Was für ein Wagen war es?«
»Ich dachte, es sei ein Polizeiwagen.«
»Warum ein Polizeiwagen? Wie kommen Sie darauf?«
»Er sah so aus. Obere Mittelklasse. Die Form. Sah aus wie ein Polizeiwagen.«
»Blaulicht auf dem Dach?«
»Nein, es war nur die Form.« Sie deutete im Wagen herum. »Genau wie der hier.«
»Ein Crown Victoria?«
»Er sah aus wie der hier. Amerikanisches Fabrikat. Groß. Autos interessieren mich nicht. Ich verstehe nichts davon.«
»Und wann fuhr er weg?«
»Als ich darauf zugehen wollte.«
»In welche Richtung?« Wieder streckte sie den Finger aus, und wieder runzelte Hunt die Stirn. »Ich glaube, Sie sollten nicht hierbleiben. Nicht nach allem, was passiert ist.«
»Wo sollte ich sonst hin?« Sie wartete auf eine Antwort. »Zu Ihnen?«
»So bin ich nicht, Katherine.«
»Alle Männer sind so.« Sie konnte ihre Bitterkeit nicht verbergen.
Sie schaute ihm in die Augen, und Hunt war gebannt von der Intensität ihres Blicks. So zerschunden, so müde. Verflucht, Ken Holloway, dachte er. Du sollst verflucht sein, weil du sie so weit gebracht hast.
»Ich dachte an ein Hotel. Etwas Anonymes.« Offenbar hörte sie, dass er gekränkt war. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Das war unfair. Sie haben sich immer korrekt benommen.«
»Also tun Sie's?«
»Johnny könnte nach Hause kommen. Dann muss ich hier sein.«
»Katherine —«
»Nein.«
»Dann will ich, dass ein Streifenwagen vor dem Haus steht.«
»Auch das nicht.«
»Sie sind hier nicht sicher«, beharrte Hunt. »Hier ist etwas im Gange, das wir noch nicht verstehen.«
»Ein Streifenwagen würde Johnny abschrecken. Wenn er wirklich weggelaufen ist, dann soll er wissen, dass er nach Hause kommen kann. Wie soll er das wissen, wenn die Polizei vor dem Haus steht?« Katherine öffnete die Wagentür. »Danke, dass Sie mich hergebracht haben, Detective. Jetzt komme ich allein zurecht.«
Hunt stieg aus und legte die Hände auf das Wagendach. »Ich würde mich gern im Haus umsehen.«
»Ich muss jetzt allein sein.«
Hunt schaute auf die Straße, denn der Anblick ihrer Qual war unerträglich. Er hatte sie so mutig erlebt, und er hatte erlebt, wie dieser Mut sie verlassen hatte. Es war, als habe er zugesehen, wie ein großer Baum umstürzte. Wie ein Fluss versiegte. Er warf einen Blick auf das dunkle Haus und
Weitere Kostenlose Bücher