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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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anderer stand vor dem breiten Fenster über der Lebensmittelebene. Beide erschraken. Keiner trug eine Waffe. »Das Büro«, sagte Hunt, und dann sah er die geschlossene Tür und die herabgelassene Jalousie. »Sie da.« Er stieß mit dem Finger nach dem stehenden Wachmann. »Setzen.« Der Mann hastete zum nächstbesten Stuhl. Hunt deutete auf die Bürotür, und Yoakum ging daneben in Position. Steve schaute wie benommen zu.
    »Jemand da drin?«, fragte Hunt.
    »Mr. Meechum? Der ist gegangen.«
    »Wer ist Meechum?«
    »Der Boss.«
    Hunt winkte Steve zur Seite, sah Yoakum an und zählte bis drei. Die Tür öffnete sich sofort, und sie standen in einem leeren Büro. »Ich sag doch —« Steve trat in die offene Tür. »Mr. Meechum ist eben gegangen.«
    »Wann?«
    »Vor vielleicht fünf Minuten.«
    »Beschreiben Sie ihn.«
    »Keine Ahnung. Fünfundsechzig. Dürr, aber kräftig. Dünnes Haar, zerschlagene Nase. Ein ziemliches Arschloch.«
    »Trägt er eine Waffe?«, fragte Hunt. »Und eine Uniform?«
    »Meistens Jeans. Und so 'ne Art Safarihemd. Aber er hat eine Pistole am Gürtel. Ist der Einzige hier, der das darf.«
    »Was für eine?«
    »Hä?«
    »Die Pistole. Welches Kaliber?«
    »Eine Fünfundvierziger, glaube ich.«
    Hunt sah Yoakum an, und beide dachten das Gleiche: wie die Hülse in David Wilsons Wagen.
    »Hat er Handschellen bei sich?«, fragte Yoakum.
    »Die haben wir alle.«
    »John.« Hunt deutete auf den Schreibtisch im Büro. Er war alt und verschrammt. Nichts Besonderes. Darauf stand eine Reihe von Monitoren, die mit den Überwachungskameras in der Mall verbunden waren. Drei davon überblickten die Lebensmittelebene, und auf jedem war dasselbe zu sehen: ein Tisch mit kleinen Mädchen, vierzehnjährig oder jünger. Die Bilder waren herangezoomt. Hunt sah Zahnspangen, Grübchen, fröhliches Lachen, zurückgeworfenes Haar. »Das ist unser Mann.«
    Yoakum beugte sich vor. »Motherfucker.«
    » Warum ist Meechum weggegangen?« Hunt empfand eine schreckliche Gewissheit.
    Steve zögerte nicht mit der Antwort. »Er hat einen Anruf von Mr. Holloway bekommen. Ich weiß nicht, worüber sie geredet haben, aber ich hab den Anruf selbst durchgestellt.«
    »Wann?«
    »Vorhin. Kurz bevor Sie gekommen sind.«
    »Steve«, sagte Hunt, »wir brauchen Meechums Adresse.«
    »Die weiß ich nicht, aber Sie können in zwei Minuten zu Fuß bei seinem Haus sein.«
    »Wieso?«
    »Er wohnt gleich hinter der Mall. Ein paar Unkrautflächen, ein, zwei Gräben, und Sie stehen vor seiner Hintertür.«
    »Zeigen Sie's mir.«
    »Jetzt sofort?«
    »Jetzt sofort.«
    Steve fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und warf einen nervösen Blick durch den Raum. »Wirklich?«
    »Ja.« Hunt packte ihn hart an der Schulter. »Wirklich.«
    Als Hunt die Tür an der Rückseite öffnete, prasselte ihm der kalte Regen ins Gesicht. Er wehte schräg heran und zersprühte auf dem Asphalt zu Nebel. Die Sicht war schlecht, als sei alles Licht aus der Luft gesogen worden. Ein Auto fuhr vorbei. Die Fenster waren beschlagen, und die Scheibenwischer schleuderten das Wasser in weiten, kristallklaren Bögen zur Seite. »Wo ist es?« Hunt musste lauter sprechen.
    Steve streckte den Finger aus. Die schwere Tür schloss sich mit metallischem Dröhnen hinter ihnen. »Da drüben. Zwischen den Bäumen da.« Hunt sah die Bäume — zwei kümmerliche Zedern am Rand des Grabens hinter dem Mall-Gelände. »Da ist ein Fußweg. Ist nicht weit.«
    »Sie müssen mich hinführen.«
    »Ach, Mann.« Steve schaute in den Regen hinaus. »Dann werde ich nass und gefeuert.« Niemand lachte. »Los«, sagte Hunt. Sie liefen über den nassen Platz und zwischen einem geparkten Suburban und einem ramponierten Ford hindurch, an dem ein Seitenfenster mit Plastikfolie verklebt war. Der Graben hinter den Autos war bereits überflutet. Im dunklen Wasser trieben Fastfood-Verpackungen, Plastiktüten und Zigarettenschachteln. Der Fußweg begann bei den Bäumen und führte, schmal und geradlinig, durch das hohe Unkraut auf einem Brachgrundstück. Yoakum hielt Hunt fest. »Verstärkung?« Er hob sein Funkgerät.
    »Wir warten nicht.«
    »Gut.« Yoakum steckte das Funkgerät wieder ein und lud seine Pistole durch. »Ich hasse Warten.«
    »Welches Haus?« Steve lehnte sich nach links, um zwischen den beiden Krüppel-
    zedern hindurchzuschauen. Eine Reihe von kleinen Häusern stand am Ende des Unkrautstücks. Hunt sah schmale Terrassen, kaputte Grills und ein paar Fahrräder. Steve zeigte hinüber.

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