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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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verletzten Baumrinde zu dem Jungen. »Schwarze Magie.«
    »Nein.«
    »Sagt wer?«
    »Die Kelten. Sind jetzt tot. Schon lange.«
    »Woher weißt du, dass es funktioniert, wenn alle diese Kelten tot sind?«
    »Ich hab's irgendwo gelesen. Ist nicht so wichtig.« Freemantle schüttelte den Kopf, und der Zweifel stand ihm in das gepeinigte Gesicht geschrieben. »Blitze fallen«, sagte er. »Und du kannst nur zu Gott beten, dass sie nicht auf dich fallen.« Er drehte sich zu dem frisch ausgegrabenen Erdhaufen um. »Sie soll ein paar Worte hören, wenn die Erde hineinfällt.« In seinem Gesicht lag lauter Hoffnung und ein unerklärliches Vertrauen. »Hast du eine Bibel ?«
    »Nein.« Johnny war plötzlich verlegen. »Aber ich kenne ein paar Worte.«
    Johnny sah keinen Grund, seine eigenen Überzeugungen im Zusammenhang mit diesen Dingen offenzulegen, nicht hier vor diesem fremden Mann mit seiner Angst vor Krähen und Blitzen und zuckersüßen Stimmen. »Ich kann sie für Sie sprechen.«
    Ein Regenschauer rauschte in den Baumwipfeln. Freemantle verzog erleichtert das Gesicht, als Johnny herantrat. Johnny spürte die Körpergröße des Mannes neben sich. Die Narben in seinem Gesicht waren runzlig und grau, und das beschädigte Auge irisierte, wenn das gelbe Licht aufflackerte. Johnny dachte an die nächtelange Bibellektüre, an die stundenlangen, fieberhaften Gebete seiner Mutter und seine eigene Suche nach dem Sinn. Eine ganze Weile war sein Kopf leer, dann sprach er die einzigen Worte, die ihm einfielen. »Vater unser im Himmel...«
    Kalte Regentropfen fielen hart herab.
    »... geheiligt werde dein Name.«
    Levi Freemantle weinte, als er seine Tochter begrub.
    Johnny stand im Regen und wartete darauf, dass die Blitze fielen.

NEUNUNDDREISSIG
    H unt und Yoakum warteten im Foyer des großen Gebäudes in der Innenstadt. Ken Holloways Büro lag im vierten Stock, aber die Empfangsdame, eine Frau nördlich der fünfzig mit eiserner Miene, machte Schwierigkeiten. Draußen wurde es von Minute zu Minute dunkler. Papierfetzen wehten über den Beton des Gehwegs, stiegen auf und kreiselten im Wind. »Wir brauchen keinen Termin.« Hunts Dienstmarke lag in der gewölbten Handfläche.
    Die Frau stand hinter einer massiven Teakholztheke neben einer Telefonanlage, an der rote und grüne Knöpfe blinkten. Holloways Firma füllte das ganze Gebäude aus. Ein Blick auf den Wegweiser zeigte ihren Umfang: Immobilienhandel, Grundstückserschließungen, Industriebau, Consulting, Gebäudeverwaltung. Holloway gehörten die Mall, mehrere der größten Gebäude in der Innenstadt, alle drei Theater und zwei Golfplätze, und das allein in dieser Stadt. Seine Investitionen erstreckten sich über den ganzen Staat.
    »Es geht um strafrechtliche Ermittlungen«, sagte Hunt. »Ich kann in zwanzig Minuten mit einer Vorladung und einem Durchsuchungsbeschluss zurück sein.«
    Das Telefon summte, und die Frau nahm den Hörer ab. Als sie wieder aufgelegt hatte, klang ihre Stimme kalt und kurz angebunden, und ihr Gesicht war unerbittlich. »Mr. Holloway ist einer der liebenswürdigsten Menschen in dieser Stadt, und jeder hier weiß, wie Sie ihn schikanieren. Es wird keinen Mangel an Leuten geben, die gegen Sie aussagen werden, wenn so etwas heute noch einmal stattfindet.« Die eiserne Maske verschwand, und sie lächelte. »Mr. Holloway wird Sie jetzt empfangen.« Sie streckte den Arm aus. »Der Aufzug ist rechts.«
    Sie gingen quer über den Marmorboden zum Aufzug. Yoakum drückte auf den Knopf, und die Tür glitt zu. »Entzückend«, sagte er.
    »Die Empfangsdame?«
    »Eine süße Maus.«
    Holloways Büro erstreckte sich fast über die gesamte Etage. Hunt sah einen Konferenzraum und ein paar Nebenzimmer, aber der größte Teil des Raums war offen. Holloway stand hinter seinem Schreibtisch. Rechts neben ihm stand sein Anwalt, links ein uniformierter und bewaffneter Wachmann. Durch die gläsernen Wände auf drei Seiten konnte man fast die gesamte Innenstadt sehen, auch das Polizeirevier, das schäbig und klein wirkte. Aus dieser Höhe sah das Gewitter aus wie eine schnell heranrückende Wand in Violett und Schwarz.
    »Detectives«, sagte Holloway.
    Hunt trat auf einen Perserteppich und ging an einem Konferenztisch vorbei, der mehr gekostet hatte als sein Auto. Vor dem Schreibtisch blieb er stehen. Holloway lächelte gezwungen, und die Fingerspitzen, mit denen er sich auf den Schreibtisch stützte, waren weiß. »Meinen Anwalt kennen Sie sicher noch.« Er deutete auf

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