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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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auf den ehemaligen Parkplatz. Unkrautbüschel wuchsen aus dem Kies. Unter einem Schutzdach war eine große Karte, und Johnny steuerte darauf zu. »Ich weiß, wo der Schacht ist«, sagte Hunt. »Der Hauptweg führt geradewegs darauf zu.«
    Sie gingen zehn Minuten langsam den Weg entlang. Dann kamen sie an einer Reihe von Warntafeln vorbei, und plötzlich tat sich einfach der Boden vor ihnen auf. Der Schacht hatte einen Durchmesser von zweieinhalb Metern. Ein stillgelegtes Gleis führte in den Wald hinein, ein Schmalspurgleis mit verrosteten und überwucherten Schienen auf verrotteten Schwellen, die immer noch nach Kreosot und Öl rochen.
    Johnny schob sich näher an den Schacht heran. An manchen Stellen war die Erde am Rand weggebrochen. Der Boden war steinig und locker.
    »Nicht.«
    Er sah seine Mutter an und beugte sich vor. Die Luft von unten wehte ihm kühl und feucht ins Gesicht, und die Felswände verschwanden in der pechschwarzen Tiefe. »Wir waren mal mit der Schule hier«, sagte er. »Damals waren Seile davor gespannt, um die Kinder abzuhalten.«
    Die Pfosten waren noch da, in den Boden zementiert, aber die Seile waren verschwunden, gestohlen oder verfault. Johnny erinnerte sich an den Tag. Bedeckt. Kühl. Die Lehrer hatten den Kindern befohlen, zu zweit Hand in Hand zu gehen, und keins der Mädchen hatte Jacks Hand nehmen wollen. Johnny sah es noch vor sich, wie die Schüler sich über die Seilabsperrung beugten und darauf warteten, dass die Lehrer wegschauten, um dann Steine in den Schacht zu werfen.
    Jack hatte da drüben gestanden.
    »Johnny.« Katherines Stimme bekam einen scharfen Unterton.
    Sie war in sich versunken und besorgt.
    Johnny trat zurück und schaute zu der Stelle hinüber, wo Jack so niedergeschlagen gestanden hatte. Sie war nahe am Waldrand, abseits der anderen Kinder. Er hatte ihnen den Rücken zugewandt und auf ein kleines viereckiges, verrostetes Stück Blech gestarrt, das an eine nackte Felsplatte genietet war. Er hatte das Schild angestarrt und so getan, als weine er nicht.
    Hunt trat vorsichtig an den Rand des Schachts heran, und Johnny ging zu dem Schild hinüber. Ein altes Originalschild aus der Zeit, als die Mine noch in Betrieb gewesen war. Buchstaben waren in das Metall geprägt. Jack war mit einem seiner kleinen Finger daran entlanggefahren, und Johnny erinnerte sich, dass der Finger danach schmutzig vom Rost gewesen war.
    »Ich sehe Kletterhaken.« Hunt beugte sich vor, und Johnny wurde bewusst, dass er sie auch gesehen hatte: zehn Meter weiter unten, das Metall immer noch glänzend von den Hammerschlägen. Aber dieses Bewusstsein war so weit entfernt wie Hunts Stimme.
    Johnny starrte das Schild an und streckte den Finger aus. Die Buchstaben bedeckten das Schild. Das Schild bezeichnete den Schacht.
    »Sie ist hier.« Der Name des Schachts war abgekürzt, und Johnny strich über die Buchstaben.
    No. Croz.
    Seine Fingerspitze war rot.
    No crows.
    Keine Krähen.

SIEBENUNDFÜNFZIG
    H unt forderte in aller Stille ein paar Gefälligkeiten ein. Nach weniger als einer Stunde waren zwei dienstfreie Feuerwehrmänner da. Ihre Privatwagen waren vollgestopft mit Ausrüstungsgegenständen. Auch Trenton Moore rollte privat an. Hunt marschierte zurück zum Parkplatz, holte einen Bolzenschneider aus seinem Kofferraum und schnitt das Drahtseil durch, das den Fußweg versperrte. Der erste Feuerwehrmann fuhr einen dunkelblauen Dodge Ram. Als er ihn den Weg hinaufmanövrierte, kratzten die Zweige kreischend über den Lack. Oben wendete er und fuhr mit dem Heck fast bis an den Rand des Schachts. Der zweite fuhr einen Jeep. Sie luden Seile aus dem Wagen, als der Rechtsmediziner ankam und aus einem Kombiwagen stieg, der schmal genug war, seinen Lack zu retten. Hunt warf einen Blick zu Katherine, um zu sehen, welche Wirkung die Ankunft des Arztes auf sie hatte, aber sie war inzwischen jenseits aller Sorge. Sie sah zu, wie die großen, breitschultrigen Feuerwehrmänner geflochtene Gurtgeschirre anlegten und Seile von dicken Rollen über den Rand des Schachts hinunterließen. Dann setzte sie sich neben ihren Sohn.
    Hunt kauerte mit den Feuerwehrmännern am Schacht. Die beiden waren jung und kräftig, aber das Licht verblasste zusehends. »Rein und wieder raus«, sagte Hunt. »Wir wissen nicht, was hier ist. Also keinen heldenhaften Blödsinn.«
    Der ältere Feuerwehrmann war Mitte dreißig. Er befestigte einen letzten Karabinerhaken an seinen Gurten. An seinem Helm steckte eine Lampe, und eine zweite

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