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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Pisskarre hatte er es genannt, wegen der Farbe. Aber er hatte es geliebt.
    Hunt stand mit den andern bei den Autos. Niemand schaute her, und so fasste Johnny das Fahrrad an. Es war klein. Gelb. Er berührte den Rost und das kalte Metall, die Gummireifen, die rissig und verrottet waren.
    Das Fahrrad war Wirklichkeit.
    Johnny drehte sich um und übergab sich ins Gebüsch.
    Das alles war Wirklichkeit.
    Hunt hörte einem der Feuerwehrmänner zu. »Das Rad ist als Erstes hineingestürzt und in dem Flaschenhals stecken geblieben. Wie es aussieht, kam die Person als Nächstes. Ohne das Rad wäre sie vielleicht bis ganz unten gefallen. Noch mal zweihundert Meter, und all das Wasser ...« Der Feuerwehrmann schüttelte den Kopf. »Wir hätten sie nie gefunden.«
    »Ist es Alyssa?« Hunt sah den Arzt an.
    »Es ist ein Mädchen«, sagte Moore. »Ungefähr im richtigen Alter. Ich sehe mir heute Abend noch den Gebissstatus an. Als Erstes.«
    »Und Sie rufen mich an, wenn Sie es wissen?«
    »Ja.« Hunt nickte. Er schaute sich nach Johnny um und sah ihn nicht gleich, aber dann doch. Er kniete im Gestrüpp.
    »O nein!«
    Hunt kümmerte sich um Johnny, wischte ihm das Gesicht ab und brachte ihn zum Wagen. Dann schickte er den Rechtsmediziner mit der Leiche zurück in die Stadt und ließ das Fahrrad von den Feuerwehrleuten in eine Plane wickeln und in seinen Kofferraum legen. Und dort lag es jetzt und klapperte, wenn der Wagen durch ein Schlagloch fuhr: ein Fragezeichen in Hunts Hinterkopf.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich hätte euch nicht mitkommen lassen dürfen«, sagte er, ohne eine Antwort zu bekommen. Hunt wusste, was seine Gründe gewesen waren, aber es war trotzdem ein Fehler gewesen. Er war all dem zu nah. Er war emotional beteiligt. Wieder schüttelte er den Kopf. »Ich hätte euch nicht mitkommen lassen dürfen.«
    Sie hatten die Hälfte des Weges hinter sich, bevor Johnny wieder sprechen konnte. Er lauschte dem Fahrtwind und dem Surren der Reifen auf dem glatten Asphalt. »Es gehört Jack«, sagte er.
    Hunt drehte sich um. Johnny und Katherine waren dunkle Silhouetten auf dem Rücksitz. Die Straße war leer. »Was sagst du da, Johnny?«
    Johnny schaute aus dem Fenster. Ein Feld dehnte sich unter dem hohen, von blassen kleinen Sternen übersäten Himmel. Das Gras bewegte sich nicht. Es schimmerte violett. Nichts ergab irgendeinen Sinn. »Das Fahrrad gehört Jack.«
    Hunt fuhr an den Straßenrand und hielt an. Er schob den Schalthebel in Parkstellung und stellte den Motor ab. Johnny griff nach dem Türgriff, doch es gab keinen. »Machen Sie die Tür auf«, sagte er und fing wieder an zu würgen. Aber nichts kam. Er war leer, ausgelaugt. Hunt half ihm beim Aussteigen und führte ihn an den Straßenrand. »Tief atmen«, sagte er. »Einfach atmen.«
    Nach einer Weile richtete Johnny sich auf.
    »Das wird schon wieder«, sagte Hunt beruhigend. Er ging mit dem Jungen auf und ab, die eine Hand auf seinem Arm, die andere in seinem Nacken. »Es ist okay. Hörst du? Okay.«
    Johnny war zittrig, aber er nickte. »Ja. Okay.« Sie stiegen wieder ein, und Hunt drehte die Lüftung auf. Johnny hielt das Gesicht vor die Öffnung.
    »Besser?«
    »Ja, Sir.«
    »Erzähl mir von dem Fahrrad.«
    Johnny saß im Licht der Deckenbeleuchtung und betrachtete die Schatten, die über Hunts Gesicht fielen. Die Lampe war hell, wenn auch klein, und die Schatten waren hart. »Jack hatte das Rad eine ganze Ewigkeit. Als er es kriegte, war es alt. Gebraucht. Es ist ungefähr um die gleiche Zeit verschwunden wie Alyssa. Er hat gesagt, es sei geklaut worden. Ich hab mir nichts dabei gedacht. Ich meine, bei dem Zeitpunkt.«
    »Und du bist sicher, dass es Jacks Rad ist?«
    »Ja«, sagte Johnny. »Ganz sicher.«
    Hunts Blick glitt von Johnny zu Katherine. »Jack war derjenige, der gesehen hat, wie Alyssa in einen Van gezerrt wurde. Er ist der einzige Zeuge der Entführung. Jetzt haben wir sein Fahrrad ...«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Katherine war zum Zerreißen angespannt. Johnny berührte ihren Arm. Er war heiß.
    »Vielleicht war es keine Entführung.«
    Der Wind strich durch das offene Fenster herein.
    »Vielleicht hat Jack gelogen.«
    Hunt schaltete die Innenbeleuchtung aus und fuhr weiter. Er ließ das Seitenfenster hochgleiten, und das Geräusch des Elektromotors klang genau wie bei der Seilwinde. Als Hunts Handy klingelte, schaute er eine ganze Weile auf das Display, ohne den Fuß vom Gas zu nehmen. »Es ist Detective Cross.« Er ließ das Handy

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