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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Schrecken, als hätte er Glas zerbrechen hören.
    Das war um drei Uhr gewesen.
    Unsicher trat er von der Tür zurück und schlich durch den Korridor. Das Badezimmerlicht summte, als er es einschaltete. Der Medizinschrank stand offen, und er sah die Tabletten: Xanax, Prozac, ein paar blaue, ein paar gelbe. Er nahm ein Fläschchen und las, was auf dem Etikett stand. Vicodin. Das war neu. Das Xanax-Fläschchen war offen, die Pillen lagen auf dem Waschtisch, und Johnny spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. Das Xanax brachte Ken nach einem Abend mit dem guten Stoff wieder herunter.
    Das war sein Ausdruck.
    Der gute Stoff.
    Johnny schraubte die Flasche zu und ging hinaus Das Haus war eine Bruchbude, und er musste sich daran erinnern, dass es eigentlich nicht ihr Haus war. Ihr wirkliches Haus war sauber und gepflegt. Es hatte ein neues Dach, und er hatte mitgeholfen, es zu decken. In den Frühlingsferien war er jeden Tag auf die Leiter gestiegen und hatte seinem Dad die Schindeln angereicht, und er hatte einen Werkzeuggürtel voller Nägel gehabt, in den sein Name eingeritzt war. Es war ein gutes Haus mit Steinmauern und einem Garten, der mehr zu bieten hatte als harte Erde und Unkraut. Das Haus lag nur ein paar Meilen entfernt, aber ihm kam es weiter vor, in einer anderen Gegend mit schmucken Häusern auf großen, grünen Grundstücken. Es war voll von Erinnerungen, doch jetzt gehörte es der Bank. Die Bank hatte seiner Mutter ein paar Papiere gegeben und ein Schild in den Vorgarten gestellt.
    Dieses hier war eins von Kens Mietshäusern. Er besaß ungefähr hundert davon, und Johnny nahm an, dass es wahrscheinlich das schlechteste war, eine beschissene Hütte weit draußen am Stadtrand. Die Küche war klein, mit grünen Metallschränken und einem abgenutzten Linoleumboden, der sich in den Ecken nach oben bog. Eine Glühbirne brannte über dem Herd, und Johnny drehte sich langsam um sich selbst. Es sah ekelhaft aus: Zigarettenstummel in einer Untertasse, leere Flaschen und Schnapsgläser. Der Spiegel lag auf dem Küchentisch, und im Licht sah Johnny die Reste von weißem Pulver. Bei dem Anblick breitete sich ein kaltes Gefühl in seiner Brust aus. Ein zusammengerollter Hundert-Dollar-Schein war auf den Boden gefallen. Johnny hob ihn auf und strich ihn glatt. Er hatte seit einer Woche nichts Richtiges mehr gegessen, und Ken zog sich hier den Koks mit einem Hunderter in die Nase.
    Er nahm den Spiegel, wischte ihn mit einem feuchten Tuch ab und hängte ihn wieder an die Wand. Sein Vater hatte immer in diesen Spiegel geschaut, und Johnny sah ihn noch vor sich, wie er sonntags an seinem Schlipsknoten arbeitete, mit großen, steifen Fingern und einer unnachgiebigen Krawatte. Seinen Anzug trug er nur, wenn er in die Kirche ging, und es machte ihn verlegen, wenn er merkte, dass sein Sohn ihn beobachtete. Johnny sah, wie er plötzlich errötete und dann verlegen lächelte. »Dem Himmel sei Dank für deine Mutter«, sagte er dann, und sie band ihm die Krawatte.
    Seine Hände in ihrem Kreuz.
    Der Kuss und das Augenzwinkern danach.
    Johnny wischte noch einmal über den Spiegel und rückte ihn gerade, ein paarmal hin und her, bis er genau richtig hing.
    Die Tür zur Vorderveranda bewegte sich steif in den Angeln, und Johnny trat hinaus in den klammen, dunklen Morgen. Fünfzig Meter weiter unten an der Straße flackerte eine Laterne. Autoscheinwerfer erklommen eine ferne Anhöhe.
    Kens Wagen war nicht da, und Johnny empfand schändliche, beglückende Erleichterung. Ken wohnte auf der anderen Seite der Stadt in einem großen Haus mit sauberem Anstrich, breiten Fenstern und einer Vierergarage. Johnny atmete tief durch, dachte an seine Mutter, wie sie sich über den Spiegel beugte, und sagte sich, sie sei noch nicht so weit hinüber. Das hier war Kens Stoff, nicht ihrer. Gewaltsam lockerte er die Fäuste. Die Luft war frisch, und er konzentrierte sich auf sie. Es war ein neuer Tag, sagte er sich, da konnte etwas Gutes passieren. Aber der Morgen war schlecht für seine Mutter. Es gab da einen Moment, wenn sie die Augen öffnete, einen Flash, bevor sie sich erinnerte, dass man ihre einzige Tochter nie gefunden hatte.
    Johnnys Schwester.
    Seine Zwillingsschwester.
    Alyssa war drei Minuten nach ihm zur Welt gekommen, und sie waren einander so ähnlich, wie zweieiige Zwillinge es nur sein konnten. Sie hatten das gleiche Haar, das gleiche Gesicht, das gleiche Lachen. Sie war ein Mädchen, okay, aber schon auf fünf Schritte war es schwer, sie

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