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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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wurde am nächsten Mittag aus dem Krankenhaus entlassen. Sie fuhren ihn im Rollstuhl an den Randstein, und er stand vorsichtig auf. »Alles okay?«, fragte die Schwester.
    »Ich glaube ja.«
    »Lass dir einen Augenblick Zeit.«
    Zehn Schritte weiter klickten und surrten die Kameras. Reporter riefen ihre Fragen herüber, wurden aber von den Cops zurückgedrängt. Johnny schaute sich alles an, die eine Hand an das Dach von Onkel Steves Van gelegt. Er sah neu dazugekommene Übertragungswagen von den Sendern in Charlotte und denen aus Raleigh. »Ich bin so weit«, sagte er, und die Schwester half ihm in den Van.
    »Nicht anstrengen«, sagte sie. »Zwei von diesen Schnitten sind ziemlich tief.« Sie lächelte ein letztes Mal und schlug die Tür zu. Steve saß am Steuer und betrachtete interessiert die Kameras. Johnnys Mutter neben ihm hatte die Hand gehoben und verdeckte ihr Gesicht. Hunt trat ans Seitenfenster, als Johnny auf dem Rücksitz angeschnallt war, und berichtete über die Vereinbarung, die er mit dem Jugendamt getroffen hatte. »Es wird nur klappen, wenn sich alle an die Regeln halten.« Sein Blick wanderte von einem Gesicht zum andern und verharrte bei Steve. »Ich muss wissen, ob Sie damit fertig werden.«
    Steve schaute in den Rückspiegel und sah Johnny an. »Ich glaube schon. Vorausgesetzt, er tut, was ich sage.«
    Hunt sah Johnny an. »Das ist ein Geschenk, Johnny. Nach allem, was passiert ist.«
    »Wie lange muss er wegbleiben?«, fragte Katherine.
    »Das liegt jetzt beim Jugendamt.«
    »Bullshit«, murmelte Johnny.
    »Was hast du gesagt?«
    Johnny stampfte auf den Fußteppich. »Nichts.«
    Hunt nickte. »Dachte ich mir.« Er trat zurück und sah Steve an.
    »Fahren Sie dicht hinter mir her. Den ganzen Weg.«
    Die Fahrt dauerte zwölf Minuten, und niemand sprach. Vor dem Haus parkte Hunt auf dem Rasen. Johnny und seine Mutter stiegen aus dem Van. Sie starrte zu einer fernen Straßenlaterne hinüber, berührte einmal ihren Hals und ging dann ins Haus. Johnny folgte ihr in sein Zimmer. Auf dem Bett lagen seine Kleider, säuberlich zusammengefaltet. Im Ton einer Entschuldigung sagte sie: »Ich hab sie gestern Abend herausgelegt. Ich wusste nicht, was du mitnehmen möchtest.«
    »Ich kann packen.«
    »Bist du sicher?« Sie deutete auf seine bandagierte Brust.
    »Ja.«
    »Johnny ...«
    Er sah sie an, sah, wie angespannt sie war. Sie war immer stark gewesen, und dann, nach der Entführung, war es ganz anders geworden. Jetzt aber war ihr Gesicht verändert — als ob zwei Seiten ihrer Persönlichkeit einen wütenden Kampf gegeneinander führten. »Ich hätte dich nicht belügen dürfen«, sagte sie. »Ich hätte nie erzählen sollen, er habe geschrieben.«
    »Ich versteh's schon.«
    »Du solltest nicht wissen, dass du so allein warst. Ich dachte —«
    »Ich sage doch, ich hab's kapiert.«
    Sie strich ihm über das Haar. »So stark«, sagte sie. »So eigensinnig.«
    Johnny erstarrte, denn mit genau diesen Worten hatte sie einmal seinen Vater beschrieben. Johnny war bei einer ihrer seltenen Streitigkeiten dazugekommen; er wusste heute noch nicht, worum es gegangen war. Aber das waren ihre Worte gewesen: Du musst nicht immer so eigensinnig sein! Da hatte er nur gelächelt und sie geküsst, und der Streit war zu Ende gewesen. Johnnys Dad konnte so etwas gut. Wenn er lächelte, konnte man ihm nicht mehr böse sein. Für Johnny waren Eigensinn und Kraft heute noch ein und dasselbe. Jammere nicht. Tu deine Arbeit. Diese Eigenschaft hatte er im Überfluss. Was ihm fehlte, war dieses entspannte Lächeln.
    Ob er es in Wirklichkeit nie gehabt oder ob er es nur vergessen hatte, wusste er heute nicht mehr. Für Johnny war das Leben eine Sache des Eigensinns geworden.
    Er raffte eine Jeans auf und stopfte sie in eine Reisetasche. »Lass uns einfach anfangen.«
    Sie ging hinaus, und er hörte das Klicken ihrer Tür und das leise Ächzen des Bettgestells. Er wusste nicht, welche Seite in ihr gewonnen hatte, die weiche oder die starke, aber die Erfahrung sagte ihm, dass sie jetzt unter der Decke lag und die Augen fest geschlossen hatte. Als sie wenige Augenblicke später wieder in der Tür stand, war er überrascht. Sie hielt ihm ein gerahmtes Foto entgegen, ein Farbfoto von ihrer Hochzeit. Sie war zwanzig und lächelte strahlend, und die Sonne übergoss ihr Gesicht mit strahlenden Farben. Johnnys Dad stand neben ihr mit seinem unbekümmerten Lächeln. Johnny kannte das Foto; er hatte gedacht, sie habe es mit den andern

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