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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Zwischenräume ließen ihn an riesige Männer mit rauchfarbener Haut denken. »Bringst du mir das Schießen bei?«
    »So schwer ist das nicht.«
    »Machst du's?«
    Steve taxierte ihn mit einem Seitenblick und schnippte Asche aus dem Fenster. Johnnys Gesicht blieb völlig ungerührt, und darauf war er stolz, denn ungerührt war er keineswegs. Er dachte an seine Schwester und an einen Riesen mit einem geschmolzenen Gesicht und einem Mustee-Namen.
    »Wozu?«, fragte Steve. Johnny sah ihn mit seinem besten Unschuldsblick an.
    »Nur so.«

SIEBENUNDZWANZIG
    S teve steuerte den Van quer durch die Stadt, vorbei an Ladenfassaden und säulengeschmückten Villen, vorbei am parkähnlichen Town Square mit dem Blätterdach seiner knorrigen Eichen und der Statue, die vor mehr als einem Jahrhundert zu Ehren der gefallenen Konföderierten eines stolzen Countys errichtet worden war. Johnny sah einen Mistelbusch in einem Baum und dachte an ein Mädchen, das er einmal zu küssen gewagt hatte. Jetzt erinnerte er sich kaum noch an ihr Gesicht.
    Ein anderes Leben.
    Als sie den Square und den sonnigen Campus des College hinter sich hatten, bog Steve in die vierspurige Straße ein, die zur Mall führte. Es war Kens Mall. Sie gehörte ihm. »Wo fahren wir hin?«, fragte Johnny.
    »Ich muss kurz bei meiner Arbeit vorbei. Dauert nicht lange.«
    Johnny versank im Sitzpolster. Steve spürte es. »Mr. Holloway wird nicht da sein«, sagte er. »Ist er nie.«
    »Ich hab keine Angst vor Ken.«
    »Ich kann dich erst zu mir nach Hause bringen.«
    »Ich sage doch, ich hab keine Angst.«
    Steve lachte kurz. »Von mir aus.«
    Johnny zwang sich, aufrecht zu sitzen. »Wieso liegt ihm so viel an meiner Mutter?«
    »Mr. Holloway?«
    »Er behandelt sie wie ein Stück Scheiße.«
    »Sie ist die hübscheste Frau in diesem Teil des Staates. Hast du das noch nicht bemerkt?«
    »Aber da steckt mehr dahinter.« Steve zuckte die Achseln. »Mr. Holloway verliert nicht gern.«
    »Verliert was nicht gern?«
    »Alles.« Johnny war verwirrt, und Steve sah es. Er machte schmale Augen und blies den Rauch durch die Lippen. »Du weißt es nicht, was?« Er schüttelte den Kopf. »Allmächtiger.«
    »Was denn?«
    »Deine Mom war früher mit Ken Holloway zusammen.«
    »Das glaub ich nicht.«
    »Kannst du ruhig.« Steve zog an seiner Zigarette und dehnte den Augenblick in die Länge. »Sie war achtzehn, vielleicht neunzehn. Eigentlich noch ein Kind.« Er schüttelte den Kopf und schob die Lippen vor. »Ein heißer Feger, deine Momma. Hätte vielleicht nach Hollywood gehen können. Nach New York ganz sicher. Hat sie natürlich nie getan. Hätte sie aber können.«
    »Ich glaub's immer noch nicht.«
    »Er war älter, aber schon damals war er der reichste Mann in dieser Gegend. Wohlgemerkt, nicht so reich wie heute, doch reich genug. Für ein hübsches Mädchen muss es schwer gewesen sein, den Aufmerksamkeiten zu widerstehen, die er ihr schenken konnte, wenn er wollte, und deine Mutter war nicht anders als die meisten Mädchen. Blumen. Geschenke. Schicke Restaurants. Alles, was ihm einfiel, damit sie sich wichtig fühlte.«
    »So ist sie nicht.« Johnny war wütend.
    »Heute nicht mehr. Aber junge Leute glauben immer, sie wären größer als der Ort, aus dem sie kommen. Es ging ein paar Monate, glaub ich. Dann kam dein Dad in die Stadt zurück.«
    »Zurück von wo?«
    »Vom Militär. Vier Jahre. Er ist — wie viel? — sechs Jahre älter als sie? Sieben? Jedenfalls war sie noch ein Kind, als er wegging, doch das hatte sich geändert.« Steve lachte und stieß einen leisen Pfiff aus. »Junge, und wie sich das geändert hatte.« Johnny starrte aus dem Fenster, und Steve redete weiter. »Dein alter Herr verknallte sich Hals über Kopf in sie.«
    »Und sie sich auch? In ihn, meine ich?«
    »Deine Mom war wie ein Schmetterling, Johnny. Hübsch und leicht und zart. Das gefiel deinem Dad an ihr, das liebte er. Er war sanft und geduldig, wie du es sein musst, wenn du willst, dass ein Schmetterling auf deiner Hand landet.«
    »Und Holloway?«
    Steve drückte die Zigarette aus und spuckte aus dem Fenster. »Holloway wollte sie nur auf ein Kissen spießen.«
    »Und das hat sie rausgefunden?«
    »Du hättest ihn sehen sollen, als sie ihm sagte, dass sie ihn wegen deines Vaters verlässt.«
    »Wütend ?«
    »Wütend. Eifersüchtig. Er stellte ihr nach, versuchte sie zu überreden, aber drei Monate später waren deine Eltern verheiratet. Du bist dann ein Jahr später gekommen. Es war eine

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