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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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und der Auspuff würgte blauen Rauch hervor, aber der Wagen ließ sich fahren. Johnny hielt sich in den Nebenstraßen, bis er die vierspurige Schnellstraße erreichte. Dann gab er Gas, und der Truck machte einen Satz. Vor der Main Street bremste er und bog nach rechts in eine Einbahnstraße, um dem Verkehr aus dem Weg zu gehen.
    Er fuhr langsam. Die Gegend wirkte zusehends heruntergekommener, je näher er den Bahngleisen kam. Johnny hörte Musik und laute Stimmen und das Knirschen einer verzogenen Tür, die zugeschlagen wurde. An der Huron Street bog er nach links. Die schmale Straße war vollgeparkt mit Autos, in der Gosse glitzerten Glasscherben. Unkraut wucherte aus Rissen im Randstein, und ein Hund sprang ihm unversehens aus der Dunkelheit entgegen — ein schwarzbrauner Fleck, eine scharfkantige Silhouette, die am Ende der Kette ruckartig stoppte. Johnny fuhr weiter, aber es gab noch mehr Hunde bei anderen Häusern. Johnny stellte sich vor, wie Finger nach dünnen Gardinen griffen, wie Leute sich im blauen Schein des Fernsehers vorbeugten und durch schmutzige Fenster hinausspähten. Und es war nicht nur Einbildung: Links kam ein Mann aus dem Haus auf die Veranda. Er hatte bleiche Füße, trug Jeans und kein Hemd und zog an der Zigarette, die zwischen seinen Lippen hing. Johnny ignorierte ihn und fuhr vorbei.
    Freemantles Haus nahm rechts vor ihm Gestalt an, ein unbeleuchteter Klotz auf einem dunklen Grundstück. Dahinter der Bahndamm. Heller Schotter bedeckte die Böschung. Es roch nach Kreosot, Steinstaub und Öl. Johnny hielt am Straßenrand und stellte den Motor ab. Hinter ihm in einem senfgelben Haus schrie ein Baby.
    Johnny stieg aus, und das Baby verstummte. Die Hunde beruhigten sich. Als er in Freemantles Vorgarten war, sah er gelbes Absperrband zwischen den Pfosten, die das Verandadach trugen. Er duckte sich darunter hindurch, legte die gewölbten Hände rechts und links neben das Gesicht und versuchte ins Haus zu spähen. Nichts. Dunkelheit. Johnny riss das gelbe Band herunter, und die Tür ging auf, als er dagegendrückte. Er trat ein, aber niemand war da. Das Haus war leer. Er knipste das Licht an und sah Blut an der Wand.
    Das machte ihm Angst.
    Das war echt.
    Das Blut war streifig und schwarz. Lichtschalter und Türgriffe waren mit grauem Pulver überzogen. Im hinteren Zimmer war es noch schlimmer mit dem Blut. Und auch mit dem Geruch. Dick und ölig blieb er ihm im Hals stecken. Der Boden war eine Wüste aus getrocknetem Blut. Klebstreifen markierten die Lage der Leichen.
    Zwei Leichen.
    Eine Wüste aus Blut.
    Johnny machte kehrt und rannte zurück zur Haustür. Der Korridor zog sich zusammen, und sein Schatten verzerrte sich beim Rennen. Die Tür stand offen, ein kantiges schwarzes Loch mit gelbem Flatterband, das an seine Arme klatschte. Er sprang von der Veranda, stürzte und schrammte sich die Handflächen auf. Stolpernd hastete er weiter, startete den Truck und machte, dass er wegkam. Die Hunde sprangen auf und jagten ihn davon.
    Hunt raste quer durch die Stadt. Mit achtzig flog er über die letzte Anhöhe hinweg und spürte, wie der Wagen sich auf den Stoßdämpfern hob. Dann ging es bergab, er trat das Gaspedal herunter, und die Tachonadel rückte auf die Neunzig. Vor Katherines Haus bremste er scharf, bog rechts ein und kam rutschend zum Stehen.
    Im Haus brannte Licht. Zwischen den Bäumen war es dunkel.
    Kein Streifenwagen.
    Hunt sprang aus dem Wagen, und das Blaulicht pulsierte hinter dem Kühlergrill. Er ließ den Blick an den Bäumen entlang und durch den Garten wandern, eine Hand auf dem Kolben der Pistole im Halfter. Alles war still und ruhig. Die Veranda klang hohl unter seinen Schritten. Er hämmerte an die Tür. Drinnen bewegte sich etwas, und er trat zurück und warf noch einen Blick hinter sich in den Vorgarten. Der Riegel wurde zurückgedreht, die Tür öffnete sich einen Spalt breit und dann ganz. Katherine Merrimon stand klein und mit tränennassem Gesicht im Licht. Ihre Finger umklammerten ein großes Fleischermesser.
    »Katherine —«
    »Haben Sie etwas von Johnny gehört?«
    Hunt trat ein. »Ich habe einen Wagen zu Steves Wohnung geschickt. Er ist wahrscheinlich schon da.« Er streckte die Hand aus. »Darf ich das Messer haben?«
    »Entschuldigung.« Sie gab es ihm, und Hunt legte es auf die Theke.
    »Hier ist alles okay«, sagte er. »Bei Johnny sicher auch.«
    »Bei ihm nicht.«
    »Wir wissen doch noch gar nichts.«
    »Ich will zu Steve.«
    »Wir fahren auch hin.

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