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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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machte ein verlegenes Gesicht. »Ist es okay hier?«, fragte er. Es roch nach Bier und schmutziger Wäsche. »Ja.« Steve zeigte ihm sein Zimmer und schloss die Tür, als Johnny ihn darum bat. Im Zimmer standen ein Bett, ein Tisch und eine Lampe. Ein Wandschrank. Eine Kommode. Sonst nichts. Johnny ließ seine Tasche fallen und öffnete sie. Er stellte das Foto seiner Eltern auf den Tisch, und dann knöpfte er sein Hemd auf und sah sich den Verband an. Eine zwanzig Zentimeter lange Linie von roten Flecken zog sich diagonal darüber hin. Das war die schlimmste der Schnittwunden, aber das Blut war getrocknet, und vermutlich war es okay. Er knöpfte das Hemd wieder zu. Als die Sonne unterging, ließ Steve eine Pizza kommen, und sie sahen sich beim Essen eine Gameshow an, die Steve als lehrreich bezeichnete. Nachher legte Steve die Hände auf die Knie und machte ein verlegenes Gesicht. »Ich hab da eine Freundin...« Seine Finger strichen über das Kunststoff-Mischgewebe seiner guten Hose. »Ich bleibe in meinem Zimmer. Du kannst auch weggehen, wenn du willst. Mir macht es nichts aus.«
    »Weggehen?«
    »Ja.«
    »Und das Jugendamt?«
    »Wenn die kommen, mache ich nicht auf. Wir können sagen, wir sind essen gegangen.« Steve schaute zum Telefon und dann zur Tür. Johnny machte es ihm leicht. »Ich war schon oft allein. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Erleichterung milderte die harten Falten an Steves Mund. »Ich bleibe nur ein paar Stunden weg.«
    »Ich bin dreizehn.«
    Steve stand auf und streckte den Finger aus. Der Nagel war braun und abgebrochen. »Bleib weg von meinen Sachen.«
    »Natürlich.«
    »Und lass niemanden rein.« Johnny nickte feierlich und sah, dass Steve immer noch Hilfe brauchte. »Ich werde wahrscheinlich einfach nur lesen. Hausaufgaben, weißt du.«
    »Hausaufgaben. Gute Idee.«
    Steve ging, und Johnny sah ihm nach, bis er am Randstein war. Dann wandte er sich Steves Sachen zu. Methodisch. Gründlich. Wenn Steve sich bedröhnte oder betrank, wollte Johnny es wissen. Und wenn es Revolver und Messer und Baseballschläger gab, wollte er es auch wissen.
    Johnny wollte wissen, wo sie waren.
    Ob der Revolver geladen war.
    Er fand Wodka im Eisfach und einen Beutel Gras in einer Kasserolle. Der Computer war passwortgesichert, der Aktenschrank verschlossen. Er entdeckte ein Jagdmesser auf dem Boden im Schlafzimmerschrank und einen Sex-Ratgeber auf dem Regal. Eine Innentür führte aus der Küche in die Garage, wo er einen Pick-up mit abgefahrenen Reifen und Kratzern im schmutzig weißen Lack fand. Johnny stand im hellen Licht und strich über die Motorhaube und die schlammverkrusteten Kotflügel. Der Truck war alt und vergammelt, aber die Nadel der Anzeige schnellte nach oben, als Johnny den Zündschlüssel umdrehte, um den Benzinstand zu kontrollieren. Der Geruch der Garage umgab ihn, als er dastand und angestrengt über all das nachdachte, was er wahrscheinlich nicht tun sollte. Zwei Minuten später saß er am Küchentisch, vor sich den Autoschlüssel und das aufgeschlagene Telefonbuch.
    Es gab einen Eintrag für Levi Freemantle. Johnny kannte die Straße. Er nahm den Autoschlüssel und zuckte zusammen, als das Telefon klingelte. Seine Mutter war dran, und sie klang besorgt. »Bist du brav?«
    Johnny drehte den Autoschlüssel schräg ins Licht. »Ja.«
    »Es ist nur vorübergehend, Schatz. Das musst du mir glauben.«
    Johnny hörte ein Geräusch im Hintergrund. Ein Krachen. »Ich glaub's ja.«
    »Ich hab dich lieb, Baby.«
    »Ich hab dich auch lieb.« Wieder das Geräusch. »Ich muss Schluss machen«, sagte sie. 
    »Ist alles okay bei dir?«
    »Sei ein braver Junge.« Sie legte auf. Johnny starrte den Hörer an und legte dann auch auf. Der Schlüssel lag warm in seiner Hand.
    Niemand brauchte es zu erfahren.

DREISSIG
    K atherine legte das Telefon neben ihrem Bein auf den Boden. Die Haustür in ihrem Rücken fühlte sich hart und kalt an. Sie presste sich dagegen, und draußen schlug eine Faust an das Holz. »Geh weg, Ken!«
    Der Riegel über ihr hielt stand. Noch ein Schlag, tiefer jetzt. Ein Fußtritt. »Du bist meine Freundin. Das ist mein Haus.«
    »Ich habe die Schlösser auswechseln lassen!«
    »Mach die verdammte Tür auf!«
    »Ich rufe die Polizei. Ich schwör's.«
    Die Tür erbebte unter mehreren Schlägen. Der Türknauf drehte sich hin und her. »Ich will nur mit dir reden!«
    »Ich wähle jetzt.« Eine Lüge.
    Stille. Plötzlich war es totenstill. Sie hielt den Atem an und lauschte,

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