Das letzte Kind
Versprochen. Aber erst setzen Sie sich einen Augenblick hin.« Er brachte sie zum Sofa und richtete sich auf. Der Karton stand auf dem Tisch. »Ist es das?«, fragte er.
Sie nickte. »Ich glaube, inzwischen ist sie tot.«
Hunt trat näher heran, sah das abgerissene silberne Klebeband, daneben einen Umschlag und ein Blatt Papier. »Ich konnte sie nicht draußen lassen«, sagte Katherine. Mit einem Stift hob Hunt den Deckel hoch. Ein glasiger Film lag auf den Augen der Katze. Ihre Zunge hing heraus.
»Sie ist tot.« Hunt ließ den Deckel fallen und las, was auf dem Zettel stand. Du hast niemanden gesehen. Nichts gehört. Du hältst deine verdammte Klappe.
Katherine kam zu ihm und schaute auf das Blatt. Sie zitterte. »Glauben Sie, das war Ken? Es kam, zehn Minuten nachdem er weg war.«
»Ich glaube nicht.«
»Das klingt, als wären Sie sicher.«
»Das bin ich nicht, aber es passt nicht zusammen. Warum sollte er wegfahren und dann zurückkommen? Warum sich so anmelden? Und warum sollte er es überhaupt tun?«
»Aber was hat es dann zu bedeuten?«
Hunt las die Sätze noch einmal. »Ich glaube, es hat etwas mit Burton Jarvis zu tun.«
»Was?«
»Die Presse hat ziemlich umfassend berichtet.« Er schaute ihr in die Augen. »Sie haben Johnnys Notizen gesehen?«
»Natürlich.«
»Er war da, Katherine. Bei Jarvis. Ganz gleich, was er mir einreden will, Johnny war oft da.«
»Und jemand glaubt, dass Johnny ihn gesehen hat?«
»Johnny hat fünf der sechs Männer identifiziert, die regelmäßig dort waren. Nur fünf.«
»Und Nummer sechs?«
»Nummer sechs war vorsichtig. Er hat, soweit wir wissen, dreimal sein Autokennzeichen gewechselt. Er hat Angst, Johnny könnte ihn identifizieren.«
»Reden Sie von dem Cop?«
»Wir wissen nicht, ob es ein Cop war.«
»Aber Johnny glaubt es.«
»Er irrt sich. Er muss sich irren.«
»Und wenn nicht?«
Darauf wusste er keine Antwort. Stattdessen streckte er ihr die Hand entgegen. »Kommen Sie, wir suchen Ihren Sohn.«
Es war spät, als Johnny in Steves Siedlung einbog. Er schlängelte sich zwischen den Gebäuden hindurch, bog ein letztes Mal links ab und blieb hundert Meter vor dem Haus stehen. Steves Van war wieder da. Streifenwagen parkten auf der Straße vor dem Haus. Hunts Wagen war auch da. Also auch das Jugendamt.
Johnny verfluchte sich innerlich. Er hätte schneller zurückkommen sollen. Er hätte gar nicht wegfahren sollen. Jetzt würden sie ihn für immer wegbringen. Das stand fest. So sicher wie das Amen in der Kirche.
Er stellte den Motor ab und öffnete die Tür. Ein paar Kiefern standen am rechten Straßenrand, auf halbem Weg zum Haus.
Johnny schmiegte die Schulter an warmes Blech und schlich zwischen geparkten Autos hindurch, bis er dicht bei den Bäumen war. Dann rannte er los und ging dort in Deckung. Er warf sich auf ein Bett aus Kiefernnadeln, rappelte sich wieder auf und drückte sich in die dunkelste Ecke, die er finden konnte.
Jack war schon da.
»Verdammt, Johnny! Du hast mir einen Schrecken eingejagt!«
Johnny roch den Bourbon, und er sah die Flasche, die sein Freund an die Brust drückte. »Was machst du hier, Jack?«
Jack rutschte zur Seite und lehnte sich mit dem Rücken an einen Baumstamm. »Wo soll ich denn sonst sein ?«
»Weißt du, was hier los ist?«
Jack deutete zu den Polizeiwagen hinüber. »Als ich herkam, waren sie schon da.«
»Und wie bist du hergekommen?«
»Zu Fuß.«
»Das sind vier Meilen.« Jack zuckte die Achseln. »Bist du betrunken?«
»Willst du mir 'ne Predigt halten?«
»Nein.«
»Klingt aber ein bisschen so.« Johnny ignorierte diese Spitze. »Ist meine Mutter da drin?«
»Ich glaube, ich hab sie kurz gesehen. Aber ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich hab nur auf dich gewartet.« Johnny rückte ein kleines Stück näher an den Rand des Wäldchens heran. »Tu das nicht, Johnny«, zischte Jack. »Was weiß ich — wahrscheinlich ist auch mein Alter da. Damit werde ich nicht fertig.«
»Dein Vater?«
»Er versucht einen guten Eindruck zu machen. Mit Überstunden und allem andern. Er will First Grade Detective sein, wenn Gerald Profi wird.« Er nahm einen Schluck aus der Flasche. »Als ob's darauf ankäme.«
Johnny zog sich zurück ins Dunkle. Jack sprach mit schwerer Zunge und rutschte am Baumstamm herunter. Er konnte kaum noch aufrecht sitzen. »Was ist los mit dir?«, fragte Johnny.
»Nichts«, sagte Jack mürrisch. Johnny wandte sich wieder dem Haus zu. »Aber wenn du es unbedingt wissen musst
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