Das letzte Kind
—«
»Warum hören wir uns diesen Mistkerl an?«, unterbrach der Sheriff. »Wenn wir noch ein Kind verlieren, dann nur wegen seiner Inkompetenz, und damit basta. Das weiß jeder. Sehen Sie ihn doch an, verdammt.«
Hunt ging in Kampfstellung, und der Chief versuchte zu schlichten. Jarvis ist tot. Tiffany ist in Sicherheit. Darauf kommt es an.« Der Sheriff lachte bellend. »Dank eines zwölfjährigen Mädchens und eines dreizehnjährigen Punks.«
»Meine Mitarbeiter führe ich selbst.« Der Chief starrte den Sheriff herausfordernd an. »Ist das klar?«
Der Sheriff lehnte sich wieder an die Wand und deutete mit dem Finger auf Hunt. »Na, dann sagen Sie Ihrem Supercop, er soll den Ball im Auge behalten. Denn ich glaube, den hat er verloren. Ich glaube, er versucht sich dadurch in ein besseres Licht zu setzen, dass er andere Cops durch den Dreck zieht. Meine Leute. Ihre Leute. Uns, wie ich es sehe.«
Der Chief hob die Hand und wandte sich an seinen Detective, und die Röte stieg an seinem Hals herauf. »Habe ich mich klar ausgedrückt, was pädophile Polizisten angeht? Ich will kein verdammtes Wort mehr davon hören.«
»Ich glaube, Ihre Haltung ist erschreckend klar.«
»Gut. Denn Sie sollten sich jetzt um die Ermittlungen zu David Wilsons Tod, um Levi Freemantle und um Burton Jarvis' bekannte Verbindungen kümmern. Nicht um Fiktionen. Um Fakten. Wenn irgendjemand etwas mit Jarvis zu tun hat, dann finden wir ihn so. Ich will, dass Sie jedes lose Ende festnageln. Über Ihren Antrag auf Einblick in die Personalakten werden wir noch einmal reden, falls und wenn Johnny Merrimon sich bereit findet zu sagen, was er gesehen hat.«
»Falls er es gesehen hat«, sagte der Sheriff.
»Falls er es gesehen hat«, pflichtete der Chief ihm bei. »Was er gesehen hat. Wie es passiert ist. All die üblichen Dinge, die wir als Polizisten gern hören, bevor wir blindlings losstürmen. Ist das klar, Detective?«
»Ja.«
»Dann machen Sie, dass Sie rauskommen.«
Hunt rührte sich nicht von der Stelle. »Ich glaube, da ist noch etwas.«
»Sie glauben?« Die Verachtung des Sheriffs war unüberhörbar.
»Der Fall Freemantle.«
»Haben Sie ihn gefunden?«, fragte der Chief.
»Noch nicht.«
»Was wollen Sie dann?«
»Wir haben die Leichen identifiziert. Freemantles Freundin und ein Kerl, mit dem sie wahrscheinlich geschlafen hat. Wir sind ziemlich sicher, dass Freemantle sie umgebracht hat. Es gibt keine Einbruchsspuren. Sieht spontan aus. Mord aus Leidenschaft vielleicht. Wir glauben, er ist reingekommen und hat sie ertappt.«
»Mord aus Leidenschaft«, sagte der Sheriff. »Schön formuliert.«
»Freemantle hat sich am Morgen von einer Arbeitskolonne entfernt. Ist wahrscheinlich geradewegs nach Hause gegangen und hat sie in flagranti erwischt. Sein Bewährungshelfer sagt, die Freundin war eine kleine Nutte.«
»Schön. Ein guter, sauberer Fall. Das gefällt mir.«
Hunt atmete aus. »Die beiden haben eine Tochter.«
»Und?« Der Chief schwoll ringsum an.
»Sie ist verschwunden.«
»Nein.« Der Chief stand wieder auf. »Nein, das ist sie nicht.«
»Was?«
Der Chief sprach ruhig und gleichmütig, aber der wütende Unterton war spürbar. »Niemand hat Vermisstenanzeige erstattet. Niemand hat uns um Hilfe gebeten.«
»Das heißt doch nicht, dass es nicht stimmt.«
»Sie könnte bei Verwandten sein, bei der Großmutter, bei einer Tante. Wahrscheinlich hat Levi Freemantle sie. Er ist doch der Vater, oder? Das Sorgerecht hat er noch nicht verloren.«
Hunt wurde wütend. »Sie wollen das einfach ignorieren?«
»Was denn ignorieren?« Der Chief wandte die Handflächen nach oben. »Es gibt nichts zu ignorieren. Es gibt keinen Fall.«
»Ich verstehe«, sagte Hunt.
»Ach ja?« Das war eine unausgesprochene Drohung. »Niemand will noch ein verschwundenes Kind, also kehren Sie es unter den Teppich. Sie stecken den Kopf in den Sand und tun so, als gäbe es kein Problem.«
»Wenn Sie draußen auch nur ein Wort über ein verschwundenes Kind sagen ...«
»Mir reicht es jetzt mit Ihren Drohungen.«
Der Chief richtete sich auf. »Haben Sie nicht schon genug zu tun?«
»Ich möchte nur, dass Sie gut darüber nachdenken«, sagte Hunt.
»Und wenn ich es nicht tue?« Hunt sah erst den Sheriff, dann den Chief an. »Ich glaube, das wäre schlecht für uns alle.«
NEUNUNDZWANZIG
J ohnny fuhr mit Onkel Steve nach Hause. Dessen Drei-Zimmer-Wohnung war eine Bruchbude, das sah man schon von außen. Steve öffnete die Tür und
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