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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Schwachstellen auskundschaften sollten, um der Großen Armee von Guthrum den Weg zu bereiten. Doch es wurde Sommer, und der Angriff blieb aus. Alfred wähnte sich in Sicherheit. Er verließ sein Lager im Norden, um der Flotte einen Besuch abzustatten.
    Als er in Hamtun eintraf, erreichte uns gleichzeitig die Nachricht, dass sieben Dänenschiffe vor Heilincigae gesichtet worden waren, einer unweit von Hamtun gelegenen Insel in flachem Gewässer. Die Nachricht bestätigte sich, als wir Rauch von einer geplünderten Siedlung aufsteigen sahen. Von unserer Flotte waren zu dieser Zeit nur sechs Schiffe im Hafen, die anderen befanden sich auf See. Eines, die Evangelista, lag im Trockendock, weil ihr Rumpf sauber gekratzt werden musste. Hacca hielt sich außerhalb von Hamtun auf, wahrscheinlich im Haus seines Bruders. Er würde wohl verärgert darüber sein, dass er den Besuch des Königs verpasst hatte, der ohne Vorankündigung gekommen war, um uns, unvorbereitet auf ihn, bei unseren alltäglichen Verrichtungen zu erleben. Als er von den Dänen vor Heilincigae hörte, befahl er uns, die Schiffe klarzumachen, und ging selbst an Bord der Heahengel, begleitet von zwei Leibwachen und drei Priestern. Einer davon war Beocca, der sich zu mir ans Steuerruder stellte.
    «Du bist sehr kräftig geworden, Uhtred», sagte er fast vorwurfsvoll. Ich überragte ihn um Haupteslänge und hatte eine sehr viel breitere Brust.
    «Wenn Ihr Euch in die Riemen legen würdet, Pater», erwiderte ich, «wärt auch Ihr kräftiger.»
    Er kicherte. «Ich kann mir nicht vorstellen, auf der Ruderbank zu sitzen», meinte er. Dann zeigte er auf das Steuerruder und fragte: «Ist es schwierig, damit umzugehen?»
    Ich ließ ihn ans Ruder und forderte ihn auf, das Schiff etwas nach Steuerbord zu lenken. Verwundert sperrte er die scheelen Augen auf, als er das Ruder gegen den Druck des Wassers zu bewegen versuchte. «Dazu braucht man Kraft», sagte ich und nahm das Steuer wieder in die Hand.
    «Du bist glücklich, nicht wahr?» Seine Frage klang wieder wie ein Vorwurf.
    «Ja, das bin ich.»
    «Das solltest du aber nicht sein», sagte er. «Nein?»
    «Alfred dachte, diese Erfahrungen würden dich Demut lehren.»
    Ich starrte den König an, der bei Leofric im Vorschiff stand, und erinnerte mich an seine honigsüßen Worte darüber, dass ich den Schiffsmannschaften etwas beibringen könne. In Wirklichkeit hatte er, wie ich jetzt erkannte, sehr wohl gewusst, dass ich zu ihrer Ausbildung nichts beisteuern konnte, und doch hatte er mich mit Helm und Rüstung beschenkt. Als Gegenleistung, so vermutete ich, erwartete er, dass ich mir von Leofric meine jugendliche Überheblichkeit austreiben ließ. «Die Rechnung ist nicht aufgegangen, oder?», sagte ich und grinste.
    «Er sagt, dein Wille müsse gebrochen werden wie der eines Wildpferdes.»
    «Ich bin kein Wildpferd, Pater. Ich bin ein Aldermann aus Northumbrien. Was glaubt er? Dass ich nach einem Jahr unter Leofrics Knute ein zahmer Christ bin, der seinen Wünschen folgt?»
    «Wäre das so schlecht?»
    «Ja», sagte ich. «Um gegen die Dänen bestehen zu können, braucht er tapfere Männer und keine frömmelnden Speichellecker.»
    Beocca seufzte und bekreuzigte sich dann, als er sah, dass der arme Pater Willibald mit seinem Erbrochenen die Möwen futterte. «Du solltest heiraten, Uhtred», sagte er streng.
    Ich sah ihn erstaunt an. «Heiraten? Wieso?»
    «Du bist alt genug», antwortete Beocca.
    «Das wärt Ihr auch», entgegnete ich. «Und Ihr seid nicht verheiratet. Warum also sollte ich es sein?»
    «Ich darf mir Hoffnung machen», sagte er, der mit seinem scheelen Blick, der verkrüppelten Hand und dem Gesicht eines kranken Wiesels beileibe kein Liebling der Frauen war. «Aber in der Grafschaft Defnascir wohnt eine junge Frau, auf die du selbst einmal einen Blick werfen solltest», berichtete er voller Begeisterung. «Eine wohl geborene junge Dame, überaus freundlich und ...» Er hielt inne. Entweder hatte die Dame keine weiteren Vorzüge, oder ihm fiel nichts mehr ein, womit er sie schönreden konnte. «Ihr Vater, Gott habe ihn selig, war Vogt. Ein liebreizendes Mädchen. Ihr Name ist Mildrith.» Er lächelte mir erwartungsvoll zu.
    «Die Tochter eines Vogts», bemerkte ich gleichgültig. «Des königlichen Vogts? Des Landvogts?»
    «Er war der Vogt des südlichen Defnascir», antwortete Beocca, womit er den in Aussicht gestellten Schwiegervater auf einer schon sehr viel niedrigeren Stufe der sozialen Hierarchie

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