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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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wichtig, obwohl fast jeder Thors Hammer trug. Meinen hatte ich einem Jungen während einer Prügelei vom Hals gerissen und habe ihn bis zum heutigen Tag behalten.
    Das Heck von Ubbas Schiff ragte ebenso hoch empor wie der Vordersteven und war mit einem geschnitzten Adlerkopf verziert, während von der Mastspitze eine Windfahne in Drachenform flatterte. Über die Schilde, die an der Bordwand hingen, erfuhr ich später, dass sie nur zur Dekoration im Hafen dienten und, sobald das Schiff in See stach, im Kielraum verstaut wurden. Unter den Schilden befanden sich die mit Leder umringten Löcher für die Ruder, von denen es auf jeder Seite fünfzehn gab. Die Löcher ließen sich mit Holzpfropfen verschließen, was immer dann getan wurde, wenn das Segel gesetzt war und verhindert werden musste, dass das Schiff, vom Wind zur Seite gedrückt, voll Wasser lief. Um die Ratten und alles Ungeziefer zu vertreiben, wurde das Schiff für kurze Zeit im Fluss versenkt. Danach mussten wir Jungen jede Planke gründlich abscheuern und jeden Spalt mit Wolle stopfen, die zuvor in Wachs getränkt worden war. An dem Tag, an dem das Schiff endlich klar zum Auslaufen war, traf mein Onkel A lfric in Eoferwic ein.
    Ich erfuhr erst von A lfrics Ankunft, als mir Ragnar meinen Helm brachte - den mit dem vergoldeten Bronzeband -, dazu einen mit roten Stickereien verzierten Umhang und ein Paar Schuhe. Wieder in Schuhen zu gehen fühlte sich seltsam an. «Bring dein Haar in Ordnung, Junge», sagte Ragnar. Doch dann besann er sich darauf, dass der Helm mein zerzaustes Haar bedecken würde. «Lass es, wie es ist», meinte er grinsend.
    «Wohin gehen wir?», wollte ich wissen.
    «Ins Schloss, um uns eine Menge Worte anzuhören. Um Zeit zu vergeuden. In diesem Umhang siehst du aus wie eine fränkische Hure.»
    «So schlimm?»
    «So gut, mein Junge. Im Frankenreich gibt es großartige Huren: rund, hübsch und billig. Komm jetzt.» Er führte mich vom Fluss in die Stadt, wo es sehr geschäftig zuging. Die Läden waren voll, und in den Straßen drängten sich die Packesel mit ihren Treibern. Eine Herde kleiner Schafe mit dunklem Fell wurde zum Schlachthaus getrieben, und sie waren das einzige Hindernis, das Ragnar nicht sofort den Weg frei machte, denn Ragnars Ruf verlangte Respekt, der ihm jedoch, wie ich sah, gern entgegengebracht wurde. Die Dänen lächelten, wenn er sie grüßte. Er war ein Jarl - so nannten sie einen Schiffseigner und Ritter -, doch vor allem war er beliebt, ein Spaßvogel und Kämpfer, für den Furcht nicht mehr war als ein Spinngewebe, das sich wegpusten ließ. Er brachte mich zum Schloss, einem großen Haus, das zur Hälfte aus römischen Mauern bestand und später mit Holz und Stroh ausgebaut worden war. Hinter den alten Mauern befand sich ein großer Raum mit steinernen Säulen und weiß gekalkten Wänden. Dort sah ich meinen Onkel wieder, in Begleitung von Pater Beocca und einem Dutzend Krieger, die ich alle kannte. Sie waren zur Verteidigung auf der Bebbanburg geblieben, als mein Vater in den Krieg gezogen war.
    Beoccas Silberblick erstarrte, als er mich sah. Ich hatte mich vermutlich stark verändert, meine Haare waren lang, die Haut sonnengebräunt; ich war dünner, größer, wilder. Und dann hing dieses Amulett an meinem Hals. Er deutete auf sein Kruzifix, dann auf meinen Hammer und schüttelte den Kopf. A lfric und seine Mannen betrachteten mich abfällig, sie glaubten offenbar, ich hätte mich von meiner Familie abgewandt. Niemand sagte etwas, vermutlich wegen der einschüchternden Wirkung von Ivars Leibgarde aus groß gewachsenen Männern, die, mit Kettenhemden, Helmen und langen Streitäxten bewehrt, auf dem Podest hinter einem einfachen Stuhl standen: dem Thron Northumbriens.
    Dann traf König Egbert ein, begleitet von Ivar dem Knochenlosen und einem Dutzend Männern, unter ihnen auch Ravn, von dem ich erfahren hatte, dass er Ivar und seinen Brüdern als Berater diente. An Ravns Seite schritt ein großer Mann mit weißem Haar und einem langen weißen Bart. Er trug ein langes Gewand, bestickt mit Kreuzen und geflügelten Engelsgestalten. Wie ich später erfuhr, war es der Erzbischof von Eoferwic, der sich ebenso wie Egbert den Dänen unterworfen hatte. Beiden war anzusehen, dass sie sich in ihrer Haut nicht wohl fühlten. Als der König auf dem Stuhl Platz nahm, fing die Diskussion an.
    Die Männer waren nicht nur gekommen, um über mich zu verhandeln. Sie sprachen darüber, welchen Grafen Northumbriens zu trauen sei, wer

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