Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Odin.»
    Hugin und Munin waren Zwillingsraben, die auf der Schulter des Gottes saßen und ihm zuflüsterten, was sie auf ihren Rundflügen erkundet hatten. Sie waren für Odin, was ich für Ravn war. Odin ließ sich von ihnen Nachrichten von der Welt bringen, und an diesem Tag konnten sie ihm berichten, dass der Rauch über dem Lager der Mercier abnahm. Immer weniger Feuer wurden zur Nacht entfacht, mehr und mehr Männer verließen das Heer.
    «Erntezeit», sagte Ravn verächtlich.
    «Was bedeutet das?»
    «Sie nennen ihr Heer », erklärte er und vergaß offenbar für einen Moment, dass ich Engländer war. «Jeder Mann ist zum Dienst im Fyrd verpflichtet, aber wenn die Feldfrüchte reif sind, ziehen sie zur Ernte auf ihre Höfe zurück, weil sie sonst furchten müssten, den Winter über zu hungern.»
    «Und diese Ernte nehmen wir ihnen dann weg.»
    Er lachte. «Du lernst schnell, Uhtred.»
    Die Mercier und Westsachsen aber hofften immer noch, uns aushungern zu können, und obwohl sich ihre Reihen zusehends auflösten, gaben sie nicht auf, bis Ivar schließlich einen Karren mit Lebensmitteln beladen ließ. Voll gepackt mit Käselaibern, geräuchertem Fisch, frisch gebackenem Brot, gepökeltem Schweinefleisch und einem Fass Ale, wurde der Karren im Morgengrauen von einem Dutzend Männer in die Richtung des englischen Lagers gezogen. Sie blieben außer Reichweite der Bogenschützen und brüllten den feindlichen Wachen zu, dass dieser Proviant ein Geschenk von Ivar dem Knochenlosen an König Burghred sei.
    Am nächsten Tag ritt ein mercischer Reiter auf die Stadt zu. Er hielt einen belaubten Zweig als Zeichen der Waffenruhe in der Hand. Die Engländer wollten verhandeln. «Das heißt, wir haben gewonnen», bemerkte Ravn.
    «Haben wir das?»
    «Wenn der Feind das Gespräch sucht, will er nicht kämpfen. Also haben wir gewonnen.» Und er hatte Recht.

DREI

    Am nächsten Tag bauten wir im Tal zwischen der Stadt und dem englischen Lager einen Pavillon aus zwei Schiffssegeln, die zwischen aufrechte Pfosten gespannt und mit Lederseilen abgefangen wurden. Die Engländer brachten für König Burghred, König A Ethelred und Prinz Alfred drei hohe Stühle, die mit dunkelrotem Tuch drapiert waren, während Ivar und Ubba auf Melkschemeln saßen.
    Beide Seiten stellten dreißig bis vierzig Männer als Zeugen der Gespräche, die damit anfingen, dass man sich darauf verständigte, alle Waffen zwanzig Schritt hinter den Abordnungen aufzustapeln. Ich half, die Schwerter, Äxte, Schilde und Speere zu schleppen, und eilte zurück, um zuzuhören.
    Auch Beocca war erschienen und sah mich in der Menge. Er lächelte, und ich erwiderte sein Lächeln. Er stand hinter einem jungen Mann, den ich für Alfred hielt. Ich hatte den Prinzen in jener Nacht zwar gehört, aber nur undeutlich gesehen. Im Unterschied zu den beiden anderen englischen Anführern, die einen goldenen Reif auf dem Kopf trugen, war er ungekrönt, doch an seinem Umhang steckte eine große, mit Edelsteinen besetzte Brosche, die Ivar mit habgierigen Blicken musterte. Als Alfred auf seinen Stuhl zuging, sah ich, dass er hoch aufgeschossen und schlank war, lange Beine hatte und einen ruhelosen Eindruck machte. Sein bleiches Gesicht war schmal und hohlwangig, die Nase lang und das Haar von einem unbestimmbaren
    Braun. Er hatte die Lippen aufeinander gepresst und die Stirn in Falten gelegt. Seine Augen wirkten sorgenvoll. Er war erst neunzehn Jahre alt, wie ich später erfuhr, sah aber zehn Jahre älter aus. Sein Bruder König A Ethelred war viel älter, über vierzig und kräftiger, aber auch er hatte ein langes Gesicht, das womöglich noch mehr Besorgnis verriet. Burghred, der König von Mercien, war ein stämmiger, bärtiger Mann mit dickem Bauch und kahlem Kopf.
    Dazu aufgefordert, reichte Beocca dem Prinzen einen Bogen Pergament und eine Schreibfeder und nahm dann ein kleines Fläschchen Tinte zur Hand, damit Alfred den Gänsekiel eintauchen konnte.
    «Was soll das?», fragte Ivar.
    «Er schreibt mit», antwortete der Übersetzer.
    «Wozu?»
    «Damit es einen Bericht gibt.»
    «Hat er kein Gedächtnis?», fragte Ivar, als Ubba ein kleines Messer aus der Tasche zog und sich mit der Klingenspitze die Fingernägel säuberte. Ragnar tat, als schriebe er Worte auf seinen Handteller, worüber die Dänen lachten.
    «Ihr seid Ivar und Ubba?», ließ Alfred über den Dolmetscher fragen.
    «So ist es», antwortete unser Übersetzer. Alfreds Feder kratzte über das Pergament. Seinem

Weitere Kostenlose Bücher