Das letzte Koenigreich
Bruder und dem Schwager schien es recht zu sein, dass der junge Prinz das Gespräch mit den Dänen führte.
«Ihr seid die Söhne von Lothbrok?», fragte Alfred.
«Allerdings», antwortete der Übersetzer.
«Und Ihr habt einen Bruder namens Halfdan?»
«Sag dem Bastard, er soll sich sein Pergament mitsamt dem Gänsekiel in den Arsch stecken», knurrte Ivar, «und die Tinte hinterdrein, bis er schwarze Federn scheißt.»
«Mein Herr sagt, dass wir nicht gekommen sind, um uns über Familienbeziehungen zu unterhalten», übersetzte der Dolmetscher höflich. «Es gilt vielmehr, eine Entscheidung über Euer Schicksal zu treffen.»
«Und über das Eure», entgegnete Burghred, der sich mit diesem Einwurf zum ersten Mal meldete.
«Unser Schicksal?», erwiderte Ivar und ließ den König Merciens unter seinem finsteren Blick erzittern. «Unser Schicksal ist es, die Felder Merciens mit Eurem Blut zu tränken und mit Eurem Fleisch zu düngen, die Straßen mit Euren Knochen zu pflastern und dafür zu sorgen, dass sich Euer Gestank ein für alle Mal verzieht.»
In dieser Art ging es lange Zeit hin und her. Beide Seiten drohten, und keine gab nach. Doch es waren die Engländer gewesen, die zu diesem Treffen aufgerufen hatten. Sie wollten Frieden schließen, und so kam man allmählich auf die Bedingungen eines möglichen Friedens zu sprechen. Es dauerte zwei Tage, und die meisten von uns Zuhörern lagen gelangweilt im Gras und ließen uns von der Sonne bescheinen. Beide Lager blieben auch zum Essen auf dem Feld. Während einer solchen Mahlzeit pirschte sich Beocca vorsichtig zu mir auf die dänische Seite. «Du bist groß geworden, Uhtred», sagte er.
«Schön, Euch zu sehen, Pater», entgegnete ich beflissen. Ragnar beobachtete mich, ohne jedes Zeichen von Argwohn.
«Wirst du noch immer gefangen gehalten?» «Ja», log ich.
Er betrachtete meine beiden silbernen Armreife, die zu groß für mich waren und an den Handgelenken klimperten. «Ein bevorzugter Gefangener, wie mir scheint.»
«Sie wissen, dass ich ein Aldermann bin.»
«Weiß Gott, das bist du, auch wenn es dein Onkel leugnet.»
«Ich habe nichts von ihm gehört», sagte ich wahrheitsgemäß.
Beocca zuckte mit den Achseln. «Er hält Bebbanburg und hat die Frau deines Vaters geheiratet. Sie ist schwanger.»
«Gytha!» Ich war überrascht. «Schwanger?»
«Sie wünschen sich einen Sohn», sagte Beocca. «Und wenn sie einen Sohn haben werden ...» Er führte den Gedanken nicht zu Ende, und das war auch überflüssig. Zwar hatte A Elfric mich von meinem Platz verdrängt, doch ich bliebe sein Erbe, solange er selbst keinen Sohn hatte. «Das Kind wird in diesen Tagen zur Welt kommen», sagte Beocca. «Aber mach dir keine Sorgen.» Lächelnd beugte er sich vor und flüsterte verschwörerisch: «Ich habe die Schriftrollen mitgebracht.»
Ich sah ihn fragend an. «Die Schriftrollen?»
«Das Testament deines Vaters. Die Besitzurkunden.» Es verblüffte ihn, dass ich nicht sofort begriff, was er für mich getan hatte. «Ich habe die Beweise dafür, dass du der Aldermann bist.»
«Ich bin der Aldermann», sagte ich, als bedürfe es dazu keines Beweises, «und werde es immer sein.»
«Nicht, wenn es nach A Elfric geht», entgegnete Beocca. «Wenn er einen Sohn bekommt, wird er ihn als Erben einsetzen.»
«Gythas Kinder sterben früh», sagte ich.
«Man darf sich den Tod eines Kindes nicht wünschen», rügte mich Beocca. «Trotzdem bist und bleibst du der Aldermann. Dafür zu sorgen schulde ich deinem Vater, Gott bewahre seine Seele.»
«Ihr habt Euch von meinem Onkel abgewandt?», fragte ich.
«Ja», antwortete er und war sichtlich stolz darauf, Bebbanburg verlassen zu haben. «Ich bin Engländer», fuhr er fort, und seine schielenden Augen blinzelten im blendenden Sonnenlicht. «Und ich bin in den Süden gezogen, um mich anderen Engländern im Kampf gegen die Heiden anzuschließen. In Wessex habe ich Männer gefunden, die in der Lage sind, den Willen Gottes zu vollstrecken, gute, gottesfürchtige, tapfere Männer.»
« A Elfric kämpft nicht gegen die Dänen?» Ich wusste, dass er es nicht tat, wollte es aber bestätigt hören.
«Dein Onkel hält sich aus allem Streit heraus», antwortete Beocca. «Darum können die Heiden es sich in Northumbrien gut gehen lassen, und das Licht unseres Herrn Jesus Christus wird dort täglich schwächer.» Er legte die Hände wie zum Gebet aneinander, die verkrüppelte linke zitterte, die rechte war mit Tinte beschmiert.
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