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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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zum König von Wessex machen wollten. Alfred aber hatte mächtige Freunde und berief sich auf die Legende der päpstlichen Vorsehung, die ihn zum König bestimmte. Diese Legende tat offenbar ihre Wirkung, denn Alfred wurde vom Ältestenrat, dem so genannten Witan, der aus Adeligen, Bischöfen und einflussreichen Männern bestand, als neuer König ausgerufen. Vielleicht blieb dem Witan keine andere Wahl. Wessex kämpfte verzweifelt gegen Halfdans Streitkräfte, und es wäre töricht gewesen, in dieser schweren Zeit einen Jungen auf den Thron zu setzen. Wessex brauchte einen starken Anführer, und darum entschied sich der Witan für Alfred. A Ethelwold und sein jüngerer Bruder wurden in ein Kloster gesteckt und sollten lernen. «Alfred hätte die beiden töten sollen», meinte Ragnar gut gelaunt und hatte womöglich Recht damit.
    So wurde Alfred, der jüngste von sechs Brüdern, König von Wessex. Das war 871. In diesem Jahr brachte Alfreds Frau eine Tochter zur Welt, wovon ich damals nichts wusste. Sie wurde auf den Namen A Ethelflaed getauft. Sie war vierzehn Jahre jünger als ich, und selbst, wenn ich gleich von ihrer Geburt erfahren hätte, wäre sie mir unwichtig erschienen. Doch das Schicksal ist unausweichlich. Die Nornen halten uns an ihren gesponnenen Fäden, und wir vollstrecken ihren Willen, ob es uns gefällt oder nicht.
    Alfred beerdigte seinen Bruder, steckte seine Neffen ins Kloster, krönte sich selbst und ging ständig in die Kirche, um Gottes Ohr mit endlosen Gebeten zu ermüden. Seine erste Amtshandlung bestand darin, Boten auszuschicken und Halfdan zu Gesprächen einzuladen. Anscheinend wollte er Frieden, und weil wir dem Sieg immer noch nicht näher waren als vor einem halben Jahr, erklärte sich Halfdan zu dem Treffen bereit. Mit den Anführern des Heeres und einer Leibgarde aus Getreuen machte er sich auf den Weg nach Baöum.
    Auch wir, Ragnar, Ravn, Brida und ich, kamen mit. Rorik, immer noch krank, blieb in Readingum. Es tat mir Leid, dass er Baöum nicht sehen konnte, denn die Stadt war, obwohl sehr viel kleiner, fast so prächtig wie Lundene. In der Stadtmitte befand sich ein Badehaus, ein riesiges Gebäude, von Säulen getragen und mit einem steinernen Becken im Innern, das mit heißem Wasser gefüllt war. Es sprudelte aus der Unterwelt, und Ragnar war überzeugt, dass es von den Schmiedeessen der Zwerge erhitzt wurde. Das Bad war natürlich von den Römern erbaut worden, wie auch all die anderen außergewöhnlichen Bauwerke im Tal von Baöum. Unsere Männer mieden das Bad, weil sie, obwohl unerschrockene Seefahrer, das Wasser fürchteten. Brida und ich aber gingen hin, und zu meinem Erstaunen schwamm sie wie ein Fisch, während ich mich am Beckenrand festklammerte und die seltsame Erfahrung genoss, von heißem Wasser umspült zu sein.
    In diesem Bad stöberte mich Beocca auf. Innerhalb der Stadtgrenzen galt ein Abkommen, wonach niemand eine Waffe tragen durfte, und so mischten sich Dänen und Westsachsen in den Straßen, ohne einander zu behelligen. Beocca hatte diesen Umstand genutzt, um nach mir zu suchen. Er war in Begleitung zweier verkniffener Priester mit tropfenden Nasen. Sie musterten mich argwöhnisch, als sich Beocca zu mir herabbeugte und sagte: «Ich habe dich hier hineingehen sehen.» Dann entdeckte er Brida, die aus dem Wasser auftauchte und ihre langen schwarzen Haare zurückwarf. Als er ihre kleinen Brüste sah, schreckte er zurück wie vor der Dienstmagd des Leibhaftigen. «Das ist ja ein Mädchen!»
    «Ich weiß», erwiderte ich. «Nackt!»
    «Der Himmel meint es gut mit mir», sagte ich.
    Er wollte mich ohrfeigen, doch ich stieß mich vom Rand ab, und er wäre fast ins Becken gestürzt. Die beiden anderen Priester begafften Brida. Gott weiß, warum. Sie hatten wahrscheinlich selbst Frauen, doch Priester sind, wie ich immer wieder festgestellt habe, leicht erregbar. Das gilt auch für Krieger, doch fangen wir nicht gleich an wie Espenlaub zu zittern, wenn uns ein Mädchen seine Brüste zeigt. Beocca versuchte, sie zu übersehen, doch das war nicht so einfach, denn Brida schwamm hinter mich und schlang mir ihre Arme um die Taille. «Du musst dich davonmachen», flüsterte mir Beocca zu.
    «Davonmachen?»
    «Aus den Fängen der Heiden! Komm in unser Lager. Wir verstecken dich.»
    «Wer ist das?», fragte Brida auf Dänisch.
    «Ein Priester aus meiner Heimat», antwortete ich.
    «Der ist aber hässlich», sagte sie.
    «Du musst kommen», zischte Beocca. «Wir brauchen

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