Das letzte Koenigreich
dich.» «Wozu?»
Er beugte sich näher. «Das Volk von Northumbrien murrt, Uhtred. Du musst gehört haben, was dort geschehen ist.» Er machte eine Pause und bekreuzigte sich. «All die hingemordeten Mönche und Nonnen! Entsetzlich. Aber Gott lässt sich nicht verspotten. Northumbrien wird sich erheben. Wenn wir den Menschen dort sagen können, dass Uhtred von Bebbanburg auf unserer Seite steht, werden sie Mut fassen.»
Daran zweifelte ich. Ich war schließlich erst vierzehn und damit wohl kaum alt genug, um Männer für einen selbstmörderischen Anschlag auf dänische Festungen zu begeistern. «Sie ist keine Dänin», klärte ich Beocca auf, der diese Dinge gewiss nicht gesagt hätte, wenn ihm klar gewesen wäre, dass sie ihn sehr wohl verstehen konnte. «Sie stammt aus Ostanglien.» Er starrte sie an. «Ostanglien?»
Ich nickte und ließ mich zu einer Lüge hinreißen. «Sie ist die Nichte von König Edmund.» Brida kicherte und kitzelte mich, sodass auch ich lachte.
Beocca bekreuzigte sich wieder. «Der arme Mann. Ein Märtyrer. Armes Mädchen.» Er runzelte die Stirn. «Aber ...», hob er an. Anscheinend begriff er nicht, warum die schrecklichen Dänen zwei Gefangenen erlaubten, sich nackt in diesem schönen Bad zu vergnügen. Dann kniff er die scheelen Augen zu, weil er bemerkte, wo Bridas Hand lag. «Ihr müsst beide von hier weg», drängte er, «an einen Ort, wo ihr die gottgefällige Art kennen lernt.»
«Das müsste mir gefallen», sagte ich, worauf Brida so fest zulangte, dass ich fast auf geschrien hätte.
«Wir haben unser Lager im Süden aufgeschlagen», sagte Beocca. «Auf dem Hügel jenseits des Flusses. Geh dorthin, Uhtred. Wir werden dich von hier wegbringen. Euch beide.»
Das kam für mich natürlich nicht infrage. Ich berichtete Ragnar von meinem Gespräch mit Beocca. Er lachte über meinen Einfall, Brida zur Nichte von König Edmund gemacht zu haben, und zuckte nur mit den Schultern, als er von dem drohenden Aufstand in Northumbrien hörte. «Solche Gerüchte kommen immer wieder auf», sagte er. «Am Ende zeigt sich, dass nichts dahinter steckt.»
«Aber er war sich sehr sicher», entgegnete ich.
«Mag ja sein, dass man Mönche losgeschickt hat mit dem Auftrag, Unruhe zu stiften. Aber sie werden nicht viel erreichen. Wie dem auch sei, sobald wir mit Alfred fertig sind, werden wir zurückkehren. Nach Hause, was?»
Aber mit Alfred fertig zu werden war nicht so einfach, wie es sich Halfdan und Ragnar vorgestellt hatten. Alfred war zwar der Bittsteller und wollte einen Friedensschluss, weil das dänische Heer tief nach Wessex vorgedrungen war, gab sich aber nicht so leicht geschlagen wie Burghred von Mercien. Als Halfdan den Vorschlag unterbreitete, er, Alfred, dürfe König bleiben, wenn er die wichtigsten Festungen des Landes an die Dänen abtreten würde, drohte Alfred, die Gespräche abzubrechen und den Krieg fortzusetzen. «Ihr beleidigt mich», sagte er ruhig. «Wenn Ihr unsere Festungen besetzen wollt, so kommt und nehmt sie Euch.»
«Das tun wir auch», drohte Halfdan, worauf Alfred lediglich mit den Achseln zuckte, um anzudeuten, dass er die Dänen nicht fürchtete. Halfdan wusste natürlich wie wir alle, dass unser Feldzug gescheitert war. Wir hatten zwar weite Teile des Landes in Angst und Schrecken versetzt, reiche Beute gemacht, Rinder und Schafe geraubt und Getreidemühlen, Höfe und Kirchen niedergebrannt, aber auch einen hohen Preis dafür bezahlt. Viele unserer besten Kämpfer waren tot oder so schwer verwundet, dass sie für den Rest ihrer Tage auf die Wohltätigkeit ihrer Herren angewiesen waren. Wir hatten in Wessex keine einzige Festung einnehmen können und waren gezwungen, uns zur Winterzeit in die Sicherheit von Lundene oder Mercien zurückzuziehen.
Doch verausgabt hatten sich nicht nur die Dänen, auch die Westsachsen waren geschwächt, um einen Großteil ihrer
Schätze und viele ihrer besten Männer beraubt. Außerdem musste Alfred befürchten, dass die Britonen, jene Erzfeinde, die von seinen Vorfahren nach Wales und Cornwalum zurückgedrängt worden waren, erneut über Wessex herfallen könnten. Doch Alfred ließ sich von diesen Sorgen nicht beirren und trotzte Halfdans Forderungen, obwohl ihm klar war, dass er Zugeständnisse machen musste. Die Verhandlungen zogen sich über eine ganze Woche hin, und ich war von Alfreds Hartnäckigkeit überrascht.
Alfred sah nicht gerade beeindruckend aus. Er war spindeldürr und sein langes Gesicht alles andere als
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