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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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über den Weg lief. Als ihm dann bei genauerem Überlegen aufging, daß er für die Koordinierung der Ermittlungsaufgaben zuständig war, hatte er den Mund gehalten.
    »Während sie noch auf den Arzt wartete, erlitt sie einen psychotischen Zusammenbruch«, sagte Annmari leise. »Und jetzt liegt sie in der psychiatrischen Klinik. Der behandelnde Arzt teilt mit, daß sie derzeit keine Aussage machen kann. Derzeit nicht und wohl auch in absehbarer Zukunft nicht. Wir würden natürlich gern …«
    Anwalt Becker fiel ihr mit Fistelstimme ins Wort: »Genau! Hab ich’s nicht die ganze Zeit gesagt! Skandal! Da verfügt die Polizei über eine aufsehenerregende neue Information, verschweigt sie aber bis …« Er zog den Sakkoärmel hoch und starrte wütend auf seine Uhr. »… bis acht. Es ist Dienstag abend, acht Uhr, bald ist Weihnachten, und ich wiederhole: die Polizei verschweigt wichtige Informationen. Wir haben also eine drogensüchtige Witwe als Alleinerbin, die von der Polizei restlos ignoriert wird. Während der Verdacht in seiner ganzen Härte auf meinen Mandanten gerichtet wird, von dem es nicht einmal einen Fingerabdruck gibt, der mit dem Mord in Verbindung gebracht werden könnte. Nicht einmal einen Fingerabdruck!«
    Richter Lund musterte ihn kühl und bedeutete ihm, er solle sich setzen.
    »Aber wir haben ein Haar«, sagte er trocken. »Und das ist mehr, als uns von der Witwe Ziegler zur Verfügung steht.«
    »Bei allem Respekt, verehrtes Gericht, aber die Sache wird langsam …«
    Ole Johann Bøe schüttelte leise den Kopf. Ein feines Netz aus roten Adern zeichnete sich oberhalb seines gepflegten Bartes ab.
    »Damit haben Sie ja wohl angefangen«, entfuhr es Annmari Skar. »Ich wollte gerade …«
    Ein dumpfer Knall ließ alle zu Sindre Sand hinüberschauen, der seit über einer Stunde im Zeugenstand ausharrte. Niemand war auf die Idee gekommen, ihm einen Stuhl anzubieten, obwohl zumindest der Protokollführer registriert hatte, daß der Mann zusehends bleicher wurde. Jetzt sank er langsam in sich zusammen und riß den Zeugenstand mit. Die beiden Polizisten waren mit einem Sprung bei ihm und konnten verhindern, daß das schwere Holzgestell auf ihn fiel. Einen Augenblick später hatte Sindre sich aufgesetzt und ließ den Kopf zwischen seine Knie hängen.
    »Wasser«, rief einer der Uniformierten. »Und bleiben Sie erst mal sitzen.«
    Sindre murmelte: »Ich scheiß auf alles. Laßt mich gehen. Ihr interessiert euch ja doch nicht für mich.«
    Der Richter schaute Anwalt Bøe fragend an, und der zögerte einige Sekunden, um dann kurz zu nicken. Der Hammer des Richters knallte auf den Tisch. Alle erhoben sich.
    Auf einige der Anwesenden hatte die Pause eine erfrischende Wirkung. Richter Lund hatte seine Ärmel heruntergekrempelt, als er zurückkam, und den Schlips unter seiner dunklen Jacke strammgezogen. Erst gegen halb zehn konnte die Verhandlung endlich beendet werden.
    Anwalt Bøes Ausführungen waren mörderisch gewesen. Er hatte nicht wie Anwalt Becker die Stimme erhoben und keine seiner Pointen wiederholt. Sie waren dafür zu gut gewesen, und Annmari fühlte sich erschöpft und leer, als Richter Lund endlich erklärte, er werde seine Entscheidung am nächsten Morgen kundtun.
    Sie wandte sich an Billy T.
    »Wenn die beiden freigelassen werden, dann ist das deine Schuld«, fauchte sie. »Du und deine verdammte Chaosermittlung! Ich hoffe, du hast heute irgendwas gelernt!«
    Dann marschierte sie aus dem Saal, mit nichts als ihrer Handtasche über der Schulter. Sollte Billy T. doch die traurigen Reste der Ermittlung zur Wache zurückbringen. An die zweitausend Seiten Unterlagen.
    Er wußte, daß sie recht hatte. Er überschaute nicht, was auf diesen Seiten stand. In dem Material gab es keinen roten Faden. Keine übergeordneten Theorien. Eine Masse Schüsse in den Nebel, wie Anwalt Becker so treffend geschrien hatte. Billy T. versuchte trotzdem, die herausgenommenen Dokumente an die jeweils richtige Stelle zu legen, als könne ein gewisser Ordnungssinn neues Licht auf die Sache werfen.
    Sein weher Zahn brannte lichterloh.

58
    Billy T. starrte die junge Frau an, die da im Bett lag. Ihr Gesicht verschwamm beinahe mit dem weißen Kissenbezug, und er konnte nicht sehen, ob sie überhaupt atmete. Im Zimmer herrschte Zwielicht. Nur ein schwacher bläulichweißer Schein fiel vom Flur her durch die halboffene Tür herein. Eine Wanduhr mit großen Ziffern auf weißem Grund erzählte ihm, daß die Nacht sich schon zwei

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