Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Arbeit an dem Buch gekommen?«
»Das ist schwer zu sagen. Viele halten ein Buchprojekt ja für … für etwas Ähnliches wie einen Marathonlauf auf Skiern, zum Beispiel.« Sie machte einen Lungenzug, der verriet, daß sie an weitaus stärkere Zigaretten gewöhnt war. »Es ist überraschend, wie viele Leute glauben, daß ein Buch entsteht, indem ein Stein auf den anderen gelegt wird. Aber meistens ist das ganz anders. Der Prozeß ist eher … organisch, könnte man fast sagen. Jedenfalls nicht systematisch. Und deshalb kann ich nicht …«
Wieder spürte Billy T. diesen Blick über den Brillenrand, der ihn zwang, den Muminvater zu betrachten, der inzwischen auf den Rücken gekippt war.
»… sagen, wie weit wir gekommen waren.«
»Na gut.« Billy T. räusperte sich. »Von mir aus. Können Sie mir denn erzählen, ob Sie im Laufe dieser Arbeit etwas darüber erfahren haben, wer … oder was … ob er mit irgendwem Probleme hatte? Konflikte, die den Rahmen des Normalen überschritten?«
Idun Franck trank einen Schluck Kaffee und zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette, ehe sie sie in einer Mineralwasserflasche ausdrückte. Sie beugte sich über den Schreibtisch und machte das Fenster zu. Und dann blieb sie mit halbgeschlossenen Augen sitzen und schien eine längere Darlegung zu planen.
»Billy T.«, sagte sie fragend.
Er nickte.
»Hauptkommissar Billy T.«, sagte sie langsam. »Sie bewegen sich da auf einem äußerst problematischen Terrain. Ich bin schließlich Verlagslektorin. Wie Sie vermutlich wissen, trage ich damit eine gewisse Verantwortung. Ich kann nicht aller Welt alles erzählen. Sie fragen mich nach Dingen, die ich unter Umständen von einer Gewährsperson erfahren haben könnte, mit der ich während der Arbeit an einem bisher unveröffentlichten Buch gesprochen habe.«
»Ja und?« Billy T. breitete die Arme aus und hätte dabei fast ein Fleißiges Lieschen von einem Beistelltisch gefegt.
»Quellenschutz«, sagte Idun Franck und lächelte. »Verlagsethik.«
»Quellenschutz!« Billy T.s Stimme kippte in Falsett. »Der Mann ist tot, und Sie arbeiten verdammt noch mal bei keiner Klatschzeitung! Nach all dem Schwachsinn, den ich je gehört habe – und ich kann Ihnen sagen, da kommt im Laufe der Jahre einiges zusammen –, wollen Sie mir hier etwas von Quellenschutz in Verbindung mit einem Kochbuch erzählen! Was ist das denn für ein Buch, ha? Stehen da lauter Geheimrezepte drin, oder was?«
Idun Franck wärmte sich die Hände an ihrem Kaffeebecher, breite Hände mit kurzgeschnittenen Nägeln. An der Linken Hand steckte ein großer Ring mit Wikingermuster. Sie tippte damit gegen ihren Becher, ein rhythmisches, nervtötendes Geräusch.
»Wenn Sie sich das genauer überlegen, werden Sie das Problem sicher verstehen. Ich habe mich zur Zusammenarbeit mit einem Mann bereit erklärt, der mir so viel von seinem Leben erzählen soll, daß es genug Material für ein Buch ergibt. Was schließlich von dem, was er erzählt, in dem Buch stehen soll, wird erst viel später in diesem Prozeß entschieden. Alle, die uns Stoff liefern, seien das nun Autoren oder andere, müssen sich darauf verlassen können, daß nichts ohne ihre Zustimmung veröffentlicht wird. Ich möchte mir in diesem Zusammenhang den Hinweis auf Paragraphen 125 des Strafgesetzbuches und auf Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskommission gestatten. Wenn ich Ihnen jetzt Auskünfte erteilte, gegen die Brede Ziegler ja schließlich keinen Einspruch erheben kann …«
Sie legte eine kleine Atempause ein und fügte hinzu: »… dann könnte in Zukunft keiner meiner Autoren mehr Vertrauen zu mir haben. So einfach ist das. Ich hatte eine rein professionelle Beziehung zu Ziegler. Reden Sie lieber mit Leuten, die ihn persönlich gekannt haben.«
Billy T. hatte geglaubt, etwas Verletzliches gespürt zu haben bei dieser Frau, die ihm bei seinem Kommen den Rücken gekehrt hatte und dann erschrocken war.
»So kann man sich irren«, sagte er und hob seine Jacke vom Boden auf. »Sie wollen also mit harten Bandagen kämpfen. Dafür gibt es Juristen, auch bei uns.«
Hier gab es nichts mehr zu holen. Gerade als er gehen wollte, klingelte das Telefon wieder. Das Fenster öffnete sich von selbst, und ein kräftiger Windstoß hob vier Blätter vom Schreibtisch. Billy T. ahnte plötzlich bei Idun Franck einen Hauch von Parfüm; einen Duft, den er seit vielen Jahren nicht mehr wahrgenommen hatte. Davon wurde ihm schwindlig. Als er gereizt die Hand zu
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