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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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Kopf.
    »Wenn bloß dieser verdammte Zahn endlich Ruhe gäbe!«
    Aber das würde der Zahn nicht tun. In letzter Zeit meldete er sich energisch zu Wort, sobald Billy T. etwas aß oder trank, das wärmer oder kälter war als seine Körpertemperatur. An diesem Abend hatten die Zahnschmerzen unwiderruflich eingesetzt. Billy T. wollte nicht zum Zahnarzt. Der Zahn war nicht mehr zu retten. Der Zahnarzt würde einen Blick auf die Katastrophe werfen und eine Krone vorschlagen. Dreitausendvierhundert Kronen für eine Krone. Das kam nicht in Frage. Billy T. konnte sich das ganz einfach nicht leisten. Jenny würde bald eine Karre brauchen. Die Summen, die er für die anderen vier Kinder zahlen mußte, sorgten dafür, daß ihm jedesmal schlecht wurde, wenn er seine Kontoauszüge ansah. Die Gehaltserhöhung, die er mit seiner Beförderung zum Hauptkommissar bekommen hatte, verschwand in einem einzigen großen Sog.
    Er brauchte Geld. Und er konnte sich an keine Zeit erinnern, in der er nicht in Geldnot gesteckt hätte.
    Das Zahnweh kroch weiter über die linke Gesichtshälfte und endete irgendwo tief in seinem Kopf in einem stechenden Schmerz. Er wrang einen schmutzigen Lappen aus und legte ihn sich über die Augen. Als er den schwachen Geruch von Kinderkacke wahrnahm, riß er den Lappen wieder weg.
    »Shit! Shit!«
    Er fauchte sein Spiegelbild an. Das Neonlicht machte ihn unnötig blaß, er blieb stehen und rieb sich die Schläfen, während er versuchte, die Tränensäcke unter seinen Augen wegzustarren. Es war nach Mitternacht, und er mußte schlafen, solange Jenny es gestattete.
    Vorsichtig öffnete er die Schlafzimmertür.
    Jenny lag im Kinderbett auf dem Rücken, hatte die Arme ausgestreckt und die Decke zu ihren Füßen zu einem Knäuel getreten. Sie sah aus wie eine Sonnenanbeterin in einem blauen Schlafanzug. Billy T. deckte sie behutsam wieder zu und schob das schmutziggelbe Kaninchen an seinen Stammplatz in der Ecke.
    Er spürte Tone-Marits Wärme im Rücken, als er sich vorsichtig ins Doppelbett legte. Die Zahnschmerzen ließen nicht nach, sondern wurden schlimmer.
    Er hatte schon vor Jenny vier Kinder gehabt, doch die beiden Mädels in diesem Raum waren seine erste wirkliche Familie. Jedenfalls, seit er von zu Hause ausgezogen war. In diesem Moment wäre er allerdings lieber allein gewesen. Ihm war danach, alle Lampen einzuschalten, sich mit dem Cognac, den er zwei Jahre zuvor von einer Dienstreise nach Kiel mitgebracht und noch nicht angerührt hatte, halb vollaufen zu lassen. Il Trittico ganz weit aufzudrehen und zu warten, bis die Schmerzen sich legten.
    Er wollte allein sein.
    Das Leben als Junggeselle und Wochenendvater war unkompliziert gewesen. Nach einigem Hin und Her, das es während der ersten Monate mit der Mutter des Jüngsten gegeben hatte, war alles sehr gut gelaufen. Er mischte sich nicht in das Leben ein, das die Jungen bei ihren vier Müttern führten. Die Mütter ihrerseits interessierten sich nur minimal für das, was die Jungen bei ihm so trieben. Solange die Söhne ausgeglichen und gesund wirkten, sah niemand einen Grund, an funktionierenden Arrangements etwas zu ändern. Ab und zu schmollten die Knaben ein wenig, wenn er nicht zu Schulfeiern oder ähnlichen Anlässen erschien, aber inzwischen hatten sie sich daran gewöhnt, daß das vorkommen konnte. Wenn Fußballspiele oder andere Aktivitäten anlagen, während sie bei ihrem Vater waren, ging er natürlich mit. Im Grunde war er mit seinem Leben zufrieden gewesen.
    Hier lagen die Dinge anders. Jenny hatte seit ihrer Geburt noch nicht eine Nacht durchgeschlafen. Sie spuckte und schrie und mußte gefüttert werden. Kaum war ihr Hunger gestillt, kam die Mahlzeit auf der anderen Seite schon wieder zum Vorschein. Die Wohnung war zu klein, um sich zurückzuziehen. Einige wenige Male hatte er bei Bekannten übernachtet, um seine Ruhe zu haben, aber dann hatte ihn der Gedanke wach gehalten, daß Tone-Marit jetzt mit allem allein fertig werden mußte.
    Die Wohnung war ganz einfach zu klein.
    Aber eine größere konnten sie sich nicht leisten.
    Das Schlafzimmer war kalt, und er zog sich die Decke bis ans Kinn. Nun schauten unten seine Füße hervor, und er krümmte sich zusammen. Jenny stieß ein paar gurgelnde Laute aus, und wie als Echo hörte er Tone-Marit wimmern.
    Die einzige Frau, die er eigentlich nie verlassen hatte, war seine Mutter. Immer, wenn es in der Beziehung zu ihr in den Fugen ächzte, hielt er sich eine Weile bedeckt. Und irgendwann war

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