Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
Vom Netzwerk:
selbstverständlich gewesen, daß sie sich dermaßen engagierte. Taffa hatte abends an seinem Bett gesessen, hatte ihn getröstet, ihm vorgelesen und übers Haar gestreichelt, obwohl er schon in die neunte Klasse ging. Nur ein einziges Mal hatte er im Gesicht seiner Mutter aufrichtige Angst lesen können. Und zwar mitten in der Nacht, nach einer Vorstellung. Thale hatte sich ins Krankenzimmer geschlichen, in dem Glauben, daß Daniel schlief. Er hatte im Schein der schwachen Nachtlampe ihr Gesicht gesehen und begriffen, wie schrecklich seine Mutter sich fürchtete. Da hatte er nach ihrer Hand gegriffen und sie zum ersten und zum letzten Mal Mama genannt. Sie hatte ihn losgelassen, aufmunternd gelächelt und war gegangen. Gleich darauf war Taffa gekommen und geblieben, bis er eingeschlafen war.
    Thale zog ihren Mantel an.
    »Ich kann hier wohl nichts mehr tun. Aber ich begreife trotzdem nicht, wieso du dir nichts Besseres leisten kannst. Wie viele Jobs hast du neben deinem Studium, drei oder vier?«
    »Zwei, Thale. Ich habe zwei brauchbare Teilzeitjobs.«
    »Na also. Eine anständige Wohnung müßte dabei doch rausspringen.«
    Sie schaute immer etwas anderes an, wenn sie mit ihm sprach. Jetzt hatte sie ihren Mantel angezogen und wühlte in einem Karton herum.
    »Sind das Vaters Bücher?« Sie zog ein schmales Bändchen heraus. »Catilina. Unmögliches Stück. Keine gute Frauenrolle.«
    Sie klemmte sich die Handschuhe unter den Arm, doch während sie in dem Buch blätterte, fielen sie herunter. Sie merkte es nicht.
    »Das ist die Erstausgabe. Die echte, von 1850. Ist dir klar, was die wert ist? Das Nachlaßgericht wußte das glücklicherweise nicht.«
    Schließlich legt sie das Buch weg und entdeckte die Handschuhe, die in den Karton gefallen waren. Daniel hätte weinen mögen. Er biß sich in die Wange und hob die Stimme.
    »Ich verkaufe nichts, was Opa gehört hat. Ist das klar? Er wollte mir all seine Habe vermachen. Und dann hat sich herausgestellt, daß das Haus in Heggeli total überschuldet war. Na und? Immerhin hatte er diese Bücher, und er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er dich hören müßte. Er hat seine Buchsammlung geliebt. Geliebt, verstehst du?«
    Thale breitete resigniert die Arme aus.
    »Der Mann hatte dir den Gegenwert einer Riesenvilla versprochen, Daniel. Er hat dich im Stich gelassen, so ist es nun mal. Statt die Zukunft seines einziges Enkels zu sichern, hat er alles … verspielt.«
    Sie spuckte die Worte aus, als verursache ihr allein schon der Gedanke, daß ihr leiblicher Vater ein notorischer Spieler gewesen war, Übelkeit.
    »Können wir nicht irgendwo essen gehen, Thale? Miteinander reden?«
    Daniel fuhr sich über die Augen und wollte sie am Arm fassen. Sie wich aus und streifte ihre Handschuhe über.
    »Jetzt ausgehen? Nein. Ich muß nach Hause und etwas schlafen. Ich habe heute abend Vorstellung, das weißt du genau.«
    Sie pflanzte einen Kuß in die Luft. Dann verschwand sie ohne ein weiteres Wort. Die Tür ließ sie offenstehen. Daniel griff zu Ibsens erstem Theaterstück. Er wußte, daß die Ausgabe wertvoll war, nur hatte er nie gewagt, nachzuforschen, was er dafür verlangen konnte. Doch die Götter wußten, daß er Geld brauchte.
    Er brauchte dringend Geld.

18
    Der Polizeidirektor hatte recht. Natürlich hätte sie eine Art Warnruf abgeben können. Sie hätte einfach anrufen sollen, hatte er gesagt, während sein ausweichender Blick sie mit mildem Vorwurf streifte. Natürlich hatte er recht, rein objektiv gesehen. Sie hätte schreiben oder anrufen können. Der Polizeidirektor konnte nicht wissen, daß das unmöglich gewesen war. Zumindest, solange sie nicht wieder in Norwegen war, und als sie einmal da war, hatte sie auch gleich persönlich kommen können.
    Ihr neues Büro lag ganz hinten in der roten Zone, weit von den anderen in diesem Abschnitt entfernt. Sie hatte den Schlüssel ohne Widerspruch entgegengenommen. In dem Zimmer standen nur ein Schreibtisch, ein Stuhl und ein abgenutztes Regal aus emailliertem Metall. Außerdem thronte auf dem Boden neben einem Wirrwarr aus lose hängenden Kabeln ein Computer. Ein fast unmerklicher Geruch von Salmiak und Staub erzählte ihr, daß dieser Raum schon lange nicht mehr benutzt worden war. Das Fenster ließ sich nicht öffnen, vermutlich hatte es sich verkeilt. Trotzdem steckte sie sich eine Zigarette an. Es gab nichts, was mit einem Aschenbecher Ähnlichkeit gehabt hätte, und deshalb aschte sie auf den Boden.
    Ihre Aufgabe hatte

Weitere Kostenlose Bücher