Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
reden.
ZEUGIN:
Ach, entschuldigen Sie. Ich bin diese modernen Apparate nicht gewöhnt. Aber es ist entsetzlich … ich kann einfach nicht fassen (weint leise) … daß Brede tot sein soll. Er hat doch nie im Leben etwas verbrochen.
PROTOKOLLANTIN:
Sie können ruhig noch ein wenig leiser sprechen. Ich wollte nur sagen … daß wir uns alle Mühe geben, den Mörder zu finden. Aber jetzt sollten wir vielleicht anfangen …
ZEUGIN (unterbricht):
Und mir sagt wirklich niemand was. Ich weiß noch nicht einmal, wann er begraben werden kann. Das machen offenbar welche von der Medizin … ich habe vergessen, wie die hießen. Die, die bestimmen, meine ich.
PROTOKOLLANTIN:
Die Gerichtsmediziner. Die müssen erst die Obduktion vornehmen, ehe das Bestattungsunternehmen tätig werden kann. Das dauert leider seine Zeit.
ZEUGIN:
Aber das ist doch einfach entsetzlich. Die Vorstellung, wo er jetzt … ich kann … (weint) Die vom Bestattungsunternehmen sagen, daß sie noch mit Vilde sprechen müssen, ehe alles in die Wege geleitet werden kann. Aber die geht ja nicht ans Telefon.
PROTOKOLLANTIN:
Sie geht nicht ans Telefon? Hat sie Sie nicht angerufen?
ZEUGIN:
Es ist grauenhaft. Plötzlich muß ich mit einem wildfremden Menschen besprechen, wie ich meinen Sohn begraben soll.
PROTOKOLLANTIN:
Aber Vilde Veierland ist doch kein wildfremder Mensch. Sie ist Ihre Schwiegertochter.
ZEUGIN:
Sie ist Mitte Zwanzig, und ich bin ihr dreimal begegnet. Ich habe mir das in den letzten Tagen genau überlegt: Dreimal bin ich ihr begegnet. (Pause) Aber ich habe Brede ja angesehen, daß in dieser Ehe nicht alles so war, wie es sein sollte. Einfach nach Hause kommen und plötzlich verheiratet sein – das sieht meinem Brede überhaupt nicht ähnlich. Da muß etwas … etwas anderes dahinterstecken. Eine Frage der Ehre, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er hätte sie nie geheiratet, wenn er sich nicht dazu gezwungen gesehen hätte. Aber dann ist wohl doch nichts daraus geworden … er wäre nicht der erste Mann, der auf diese Weise betrogen worden ist.
PROTOKOLLANTIN:
Ja, hm … wollen Sie damit sagen, daß Brede Vilde geheiratet hat, weil ein Kind unterwegs war?
ZEUGIN:
Ja, nein … er hat nie etwas davon gesagt. Das hätte Brede auch nie getan. Seine Probleme hat er immer für sich behalten. Aber ich lebe nun schon so lange, daß ich vieles begreife. Es war nicht schwer zu sehen, daß sein Leben nicht leicht war. Brede hat immer so viel Verantwortung getragen. Aber warum er sich dann auch noch die Verantwortung für dieses Kind aufladen mußte, das konnte ich nicht begreifen.
PROTOKOLLANTIN:
Wenn er nichts gesagt hat, woher wußten Sie … ja, ich meine … woher wußten Sie, wie es in der Ehe aussah?
ZEUGIN:
Eine Mutter sieht doch, wenn etwas nicht stimmt. Zum Beispiel hat sie mich nie mit ihm zusammen besucht. Ein einziges Mal ist sie im Nordbergvei gewesen! (Verstummt, räuspert sich.) Brede war immer so umsichtig. Jeden Sonntag ist er gekommen. Na ja, vielleicht nicht jeden, aber … (Rasselnder Atem, Asthma?) Zum Essen, meine ich. Er fand es so schön, wenn ich ein Sonntagsessen aufgetischt habe wie in alten Zeiten. Als er noch ein Junge war und … Ja, der arme Brede, er konnte sich ja nicht immer so leicht freimachen. Trotzdem kam er treu jeden Sonntagmittag. Wissen Sie … bei den vielen Angestellten und all den anderen Leuten, die dauernd etwas von ihm wollten, war das sicher nicht immer leicht für ihn. Aber er wußte, daß alles für ihn bereitstand. Hausgemachter Schweinebraten mit Backpflaumen und Karamelpudding. Ich wollte das selbst auch so. Daß alles für ihn bereitstand, meine ich, wenn er einen Moment freihatte.
PROTOKOLLANTIN:
Wie oft ist er denn nun wirklich gekommen?
ZEUGIN:
Ja, nein, so oft auch wieder nicht. Oft, natürlich, aber vielleicht doch nicht jeden Sonntag. Er hatte so viele Verpflichtungen. Mußte auf seine Gesundheit achten. Außerdem ist er sonntags immer schwimmen gegangen. Im Grand Hotel. Und da ist er dann manchmal Geschäftspartnern oder anderen Künstlern begegnet. Leuten, mit denen er sprechen mußte. Da war es dann ja nicht leicht für ihn, noch zu seiner Mutter zu fahren, so gern er das auch getan hätte.
PROTOKOLLANTIN:
Alles klar. Aber Sie haben seine Gesundheit erwähnt … hatte Brede gesundheitliche Probleme?
ZEUGIN:
Überhaupt nicht! Er war so gesund und munter, ehe er … (unklar) … wie mit zwanzig Jahren. Er war immer stark, mein Brede. Hat sehr auf seine Gesundheit
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