Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
geachtet. Hat sich fit gehalten, sagt man das nicht so? Er hat nicht geraucht und konnte auch nicht vertragen, wenn andere das taten. Ich rauche ja gern ab und zu mal eine, aber wenn Brede in der Nähe war, habe ich mich beherrscht. Wo ihn das doch so störte. Wenn ich damit rechnete, daß er mich besuchen kommt, habe ich immer gut gelüftet und aufs Rauchen verzichtet.
PROTOKOLLANTIN:
Sie haben sich nach einer Zigarette gesehnt und gelüftet – auch dann, wenn er nicht gekommen ist?
ZEUGIN:
Er ist doch gekommen. Oft. Aber er hat alles so genau genommen. Er war so ästhetisch. Das hat die Presse ja auch immer betont. Das haben Sie sicher gelesen. Das Schöne und das Reine, das war sozusagen sein Credo. (lange Pause) Brede hatte einen absolut sicheren Geschmack. Es war ihm ungeheuer wichtig, daß auch bei mir alles schön und ordentlich war. Schlechte Kunst zum Beispiel … da hat er Gänsehaut gekriegt (lacht kurz). Ich hatte ein Bild von Alexander Schultz hängen, übrigens ein Porträt von Bredes Vater. Ja, leider, Brede hat schon als kleiner Junge seinen Vater verloren – das war nicht leicht für ihn. Aber Brede fand das Bild immer schlecht. Sein Vater habe was Besseres verdient, meinte er. Und tatsächlich sieht das Wohnzimmer ohne das Bild schöner aus. Brede hat mir als Ersatz einen modernen Seidendruck gekauft.
PROTOKOLLANTIN:
Ja, der Vater … hieß Ihr Mann Ziegler?
ZEUGIN:
Ach, Sie wollen wissen, warum ich nicht Ziegler heiße? Ich bin eine geborene Kareliussen und verehelichte Johansen. Aber Brede war so kreativ – er hat sich schon mit Mitte Zwanzig für den Namen Ziegler entschieden. Er hat Vor- und Nachnamen gewechselt. Auf Fredrik war er getauft, wissen Sie, aber mein verstorbener Mann (kurzes Lachen) … hat den Namen … schrumpfen lassen, könnte man sagen. Auf Freddy. (unklar) …vor seinem Tod. Nicht gerade schön, wenn Sie mich fragen. Ich habe das natürlich nie gesagt, aber seine Freunde, und in der Schule … ich habe ihm vorgeschlagen, sich wieder Fredrik zu nennen, das ist schließlich ein schöner Name … jedenfalls. Ich dachte, ich könnte mich auch Ziegler nennen, um die Familie zusammenzuhalten (undeutlich, Husten, Asthmaatem?) … aber davon hielt er nichts. Anfangs war es ein bißchen ungewohnt … ich meine, den eigenen Sohn anders zu nennen als all die Jahre zuvor. Ich wäre gern bei dem Namen geblieben, aber … Brede wollte Brede heißen. Er hat darauf bestanden. Nach und nach habe ich mich daran gewöhnt. Es ist ja auch ein schöner Name.
PROTOKOLLANTIN:
Sind Sie ganz sicher, daß Brede keine gesundheitlichen Probleme hatte? Auch keine Kopfschmerzen, zum Beispiel? Hat er irgendwelche Medikamente genommen?
ZEUGIN:
Nein, nie. Das kann ich ganz sicher sagen. Wie oft hat er mir energisch davon abgeraten! Von Pillen und solchen Dingen. Er war so prinzipientreu. Hielt es für besser, ein wenig Schmerz zu ertragen. Alles hat ja schließlich ein Ende. Auch wenn ich manchmal ein wenig Schmerzen habe. Ja, die Gelenke … die machen mir schon zu schaffen. Aber er sagte immer: Es ist besser, wenn du nichts nimmst, Mutter.
PROTOKOLLANTIN:
Haben Sie seine Freunde gekannt? Mit wem war er besonders eng befreundet, meine ich?
ZEUGIN:
Ach, mit so vielen!
PROTOKOLLANTIN:
Haben Sie einige von denen gut gekannt, Jugendfreunde zum Beispiel?
ZEUGIN:
Nein, so war Brede nicht. Er blickte nach vorn, mein Brede. Nie zurück. Doch, in der Schule hatte er viele Freunde, aber er ist immer seine eigenen Wege gegangen. Als die Freunde heirateten und ihre Kinder aus dem Kindergarten abholten und all das machten, was Männer heute so machen, fand er, daß das nichts für ihn sei. Er war immer mit interessanten Menschen zusammen. Und er konnte so nette Anekdoten über seine Bekannten erzählen.
PROTOKOLLANTIN:
Aber diese Leute haben Sie nicht gekannt?
ZEUGIN:
Nein, sein Privatleben hat Brede immer für sich behalten.
PROTOKOLLANTIN:
Hatte er auch Feinde?
ZEUGIN:
Nein, wirklich nicht. Alle mochten Brede, das sieht man doch schon daran, was sie über ihn in den Zeitungen schreiben, und überhaupt.
PROTOKOLLANTIN:
Wissen Sie, daß er Drohbriefe erhalten hat?
ZEUGIN:
Drohbriefe? Ach ja. Diese schrecklichen Briefe, von denen in einer Zeitschrift die Rede war, ich erinnere mich vage. Das ist doch entsetzlich. Diese Briefe müssen von jemandem stammen, der es nicht ertragen konnte, daß Brede so begabt war. Einzigartig, das war er. Und dieser schreckliche (belegte Stimme, undeutlich)
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