Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
aufgedrückt.«
Er verstummte und starrte ins Leere, als spiele er mit dem Gedanken, die Strafpredigt, die er den beiden Polizeianwärtern gehalten hatte, noch einmal zu wiederholen. Dann atmete er tief durch und schüttelte den Kopf.
»Hier und da gab es noch Schneeflecken, und die haben uns ein wenig weitergeholfen. Summa summarum …«
Er fertigte eine neue Zeichnung an, diesmal von Schuhsohlen. Drei davon ließen sich nebeneinander auf dem Bogen unterbringen. In die erste schrieb er die Zahl 44, in die nächste 38 und in die letzte 42. Dann tippte er mit dem Filzstift die größte an.
»Das hier ist Zieglers Abdruck. Diese beiden …« Er klatschte mit der Faust gegen die Leinwand und drehte sich zu den anderen um. »… sind vermutlich die frischesten Spuren in der Umgebung. Ein Damenschuh, Größe 38, und ein Stiefel, Größe 42, der vermutlich von einem Mann getragen wurde.«
»Einem kleinen Mann«, murmelte Billy T.
»Oder einem Jungen. Einem angehenden Mann.«
»Oder einer Frau mit großen Füßen.« Silje ließ ihren Blick gelassen von Billy T. zu Severin Heger wandern.
»Oder von einem Mädchen in geliehenem Schuhwerk«, sagte Klaus Veierød sauer. »Wer treibt sich denn in unserem Park rum? Nutten und anderes Pack. Die achten doch nicht darauf, daß alle Klamotten die richtige Größe haben.«
»Die Tiefe der Spuren läßt bei den Damenschuhen auf ein Körpergewicht von etwa siebzig Kilo schließen, bei den Stiefeln ist das Gewicht um einiges geringer. Zum Glück konnten wir beide Abdrücke mit denen von Brede Ziegler vergleichen.«
»Eine schwergewichtige, rundliche Frau«, folgerte Billy T., »und ein schmächtiger, leichtgewichtiger Mann. Witziges Paar.«
»Täter und Täterin? Ist jetzt plötzlich die Rede von zweien, die den Mord begangen haben?« Silje Sørensen schob sich die Haare hinter die Ohren.
»Hört ihr mir eigentlich nicht zu?« Severin Heger setzte sich und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Der Tatort war total verwüstet, jede Menge Fußspuren, jede Menge Dreck. Wir wissen nicht einmal, ob diese Abdrücke überhaupt eine Rolle spielen. Aber aus dem vagen Gerede der Techniker ergibt sich immerhin, daß diese drei Fußspuren, die vom Abend des fünften Dezember stammen, am nächsten kommen. Das kann eine richtige Fährte sein. Oder auch genau die falsche.«
»Sind die Zeugen nach ihrer Schuhgröße gefragt worden?«
Hanne Wilhelmsen stellte die Frage in den Raum, wandte sich nicht direkt an jemanden. Niemand antwortete. Niemand schaute in ihre Richtung. Endlich schüttelte Karianne Holbeck langsam den Kopf und wurde rot. Billy T. hob die Hand, um Severin Heger zum Weiterreden zu veranlassen.
»Die wirklich aufsehenerregende Auskunft in diesem Fall haben wir ziemlich früh erhalten«, sagte Severin. »Auf Brede Ziegler wurden zwei Anschläge verübt. Der eine, der Messerstich, hat ihn getötet. Aber auch der andere, die Vergiftung, hätte ihn möglicherweise umgebracht.«
Wieder erhob er sich, diesmal, um eine leere Schachtel Paracet aus seiner Hosentasche zu fischen. Er faltete sie auseinander und hielt sie hoch.
»Die liegen in den meisten norwegischen Wohnungen herum. Aber habt ihr je versucht, zwei Packungen auf einmal zu kaufen? Daraus wird nichts. Ihr bekommt nur eine. Das ist nämlich Gift, Leute. Wie ihr seht …« Sein Zeigefinger tippte auf den schwarzen Text auf orangenfarbenem Grund. »Fünfhundert Milligramm. So viel Paracetamol enthält jede Pille. Ich nehme immer zwei. Macht ein Gramm, nicht wahr?«
Die anderen nickten stumm, dieser Rechnung konnten sie immerhin folgen.
»Die wenigsten von uns lesen die Warnungen, die auf den Beipackzetteln von Medikamenten stehen. Dies also zu eurer Erbauung: ›Die angegebene Dosierung darf ohne Rücksprache mit einem Arzt nicht überschritten werden. Hohe Dosen oder die Einnahme über einen langen Zeitraum können zu schwerwiegenden Leberschäden führen.‹ Das kann man wohl sagen. Wer den Inhalt einer solchen Packung einwirft, also zwanzig Tabletten, kann krepieren. Insgesamt sind das zehn Gramm Paracetamol. Wenn ihr in eine zweite Apotheke geht und noch eine Packung ersteht, könnt ihr eurer Familie endgültig Lebewohl sagen. Wenn ihr das Ganze noch mit großen Mengen Alkohol oder anderen Rauschmitteln mischt, braucht ihr gar nicht soviel. Dann kommt ihr schon mit einer Packung sehr weit.«
»Wenn ihr nach Einnahme einer hohen Dosis von diesem Gift nicht ziemlich schnell behandelt werdet, ist es zu
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