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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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aufgetaucht; er hatte sich im Ullevål-Krankenhaus die Mandeln herausnehmen lassen, nachdem er über ein Jahr auf der Warteliste gestanden hatte. Die Schmerzen im Hals machten ihm arg zu schaffen, und deshalb hatte er nicht übermäßig heftig reagiert, als er das Geld nicht sofort bekam. Jetzt ging es auf Weihnachten zu, und Eskild war stocksauer.
    »Für jemanden, der verdient, ist die Summe doch Kleinkram. Kannst du nicht deine Mutter oder deine Tante fragen? Noch drei Tage, Daniel. Drei Tage. Wenn du den Rest bis dahin nicht ausgespuckt hast, gehe ich zu Thale oder zu Taffa.«
    Eskild zog seine Jacke glatt. Ein Hauch von Mitleid kam in seinen Blick, als er sah, wie Daniel unter der Vorstellung litt, seine Mutter oder seine Tante könnte erfahren, in welchen Sumpf er geraten war. Doch dann verzog er das Gesicht und murmelte: »Drei Tage, wie gesagt. Montag.«
    Damit war er verschwunden.
    Daniel mußte das Geld besorgen. Er konnte eins der Bücher von seinem Großvater verkaufen. Eigentlich wollte er das nicht: Er sah den alten Mann vor sich im Sessel sitzen, mit struppigen Augenbrauen wie kleine Hörner über den schmalen eisblauen Augen.
    »Was immer du tust, Daniel, meine Bücher darfst du nie verkaufen. Mach, was du willst, aber meine Bücher darfst du nie, nie verkaufen.«
    Daniel schloß die Augen und spürte, wie die trockenen Finger des Alten vorsichtig über seine Wange strichen. Der Gestank von Schweiß, Schimmel und süßlichem Weihrauch trieb ihn aus dem Bett, und er taumelte zu der Wand neben der Zimmertür hinüber. Dort standen fünf Kartons mit Büchern des Großvaters. Die hätte er vermutlich gar nicht hier aufbewahren dürfen, seine Wohnungstür hatte nur ein altmodisches Yale-Schloß, das mit einer Kreditkarte oder einem Bratenwender aufgestemmt werden konnte. Außerdem besaß seine Vermieterin einen Reserveschlüssel.
    Er nahm ein Buch oben aus dem zweiten Karton.
    Hamsuns »Hunger«, eine fast unberührte Erstausgabe. Niemals. Hamsun hatte der Großvater ganz besonders geliebt. Ab und zu war Daniel der Verdacht gekommen, daß der Alte sich nicht nur für Hamsuns Literatur begeisterte. Er hatte dieses Thema nicht zur Sprache gebracht. Er hatte mit seinem Großvater nie über Politik diskutiert.
    In einer eigenen kleinen Schachtel, sorgfältig in Plastikfolie eingeschlagen, lag das »Lied vom roten Rubin«. Der Großvater hatte gesagt, den Umschlag dürfe man nie berühren. Der makellose Zustand des Schutzumschlags mache, zusammen mit der außergewöhnlichen Widmung, den besonderen Wert dieser Erstausgabe aus. Eine gezeichnete Frau schaute den Betrachter durch einen schmalen Spalt an; Daniel hatte die Symbolik nie begriffen. Auf das Vorsatzblatt hatte der Autor geschrieben: »Für Ruth, von Agnar«.
    Der Großvater hatte dieses Buch im Grunde nie leiden können.
    Daniel hatte keine Ahnung, was es wert sein mochte. Aber er kannte die im Herbst erschienene große Mykle-Biographie und wußte von daher, daß die Widmung des Autors mehr wert war, als er bisher geahnt hatte.
    Er legte das Buch beiseite und verschloß den Karton sorgfältig. Obwohl es erst kurz nach halb fünf war, mußte er duschen. Sollte seine Vermieterin doch sagen, was sie wollte.
    Als sein Beschluß feststand, ein oder zwei der Bücher von seinem Großvater zu verkaufen, rechnete er mit einer Art Erleichterung. Sie blieb aus, aber er ließ sich nicht beirren. Er brauchte vierundzwanzigtausend Kronen und wußte jetzt, wie er sie sich beschaffen konnte.

42
    Der Hinterhof war groß, hell und luftig. Die Erdstreifen, die im Sommer vermutlich zu gepflegten Rosenbeeten wurden, versteckten sich jetzt unter Sackleinen und einer schmutzigen dünnen Schneeschicht. Hier und dort bohrte sich ein dorniger Zweig durch den groben Stoff.
    Hanne Wilhelmsen musterte die Hauswände und rief: »Die Reine Faust lebt immerhin stilecht. Diese Häuser sind nach Vorbildern aus der britischen Architektur erbaut worden. Nationalisten neigen durchaus zum Ausländischen, wenn es nur vornehm genug ist. Welchen Aufgang nehmen wir uns zuerst vor, A, B oder C?«
    »C«, sagte Silje entschieden. »Wir fangen mit C an.«
    Die Hausbewohner waren offenbar alle einkaufen gegangen. Es war der letzte Freitag vor Weihnachten, noch nicht einmal fünf Uhr nachmittags. Niemand reagierte, als Hanne auf die ersten Klingelknöpfe drückte. Beim siebten meldete sich nach einem kurzen Piepsen eine tiefe Männerstimme.
    »Worum geht es?«
    »Hier ist die Polizei«, sagte Hanne

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