Das letzte Opfer (German Edition)
eigenem Antrieb angerufen hat, vertraut sie ihm. Gib ihm ein paar Tipps für den Umgang mit ihr, aber halt dich raus.»
Thomas Scheib konnte diesen Rat nicht befolgen, nicht nach all den Jahren. Er musste den Mann, den er für das Phantom hielt, mit eigenen Augen sehen, wollte auch einen persönlichen Eindruck von Karen gewinnen. Und Kirby, den er sofort anrief, als er am Abend nach Hause kam, hätte ebenso gehandelt wie er. Es gab eine Aussage gegen Marko Stichler. Kein noch so gutgläubiger Polizist würde die unter den Tisch kehren, nur weil er eine kranke Frau hatte. Das musste Stichler wissen. Wenn jetzt nichts weiter geschah, könne man ihn wirklich vergessen, meinte Kirby. Thomas Scheib verließ sich auf ihn, weil Kirby immer einer Meinung mit ihm gewesen war. Hätte er sich diesmal an Wagenbach gehalten, es wäre ihm viel erspart geblieben.
Karen
Der Freitagabend versprach noch richtig schön zu werden. Jasmin kam – mit einer Tasche. Ihre Zahnbürste, einen Schlafanzug und etwas zum Anziehen hatte sie mitgebracht. Weil sie am nächsten Morgen mit ihnen zum Phantasialand fahren sollte, wollte sie über Nacht bleiben. Sarah hatte sie dazu überredet, ausnahmsweise einmal mit der Couch vorlieb zu nehmen, weil Marko sein Bett selbst brauchte.
Kurz nach sieben Uhr rief Marko an – damit sie ihn nicht noch einmal fragen musste, ob er sie noch liebte. Er entschuldigte sich, seine Verhandlungen in Frankfurt zögen sich hin. Jetzt solle er auch noch mit den Leuten essen gehen. Dann schimpfte er auf Margo, die ihm den Termin aufgedrückt hatte und sich selbst ein Wochenende in Berlin gönnte.
«Vor Mitternacht kann ich mich hier kaum loseisen», sagte er. «Wenn du zur Theaterprobe willst, musst du Kevin zu Christa bringen. Er könnte auch dort schlafen.»
Dann hätte sie sich wahrscheinlich einen Vortrag über die Prioritäten einer Mutter anhören müssen. Hobbys kamen an letzter Stelle. Als Marko hörte, dass Jasmin ihr Gesellschaft leistete und über Nacht bleiben wollte, war er erleichtert. Jasmin mit Kevin alleine zu lassen, war kein Problem. Sie schaffte es sogar, ihn ins Bett zu bekommen, indem sie ihn das Lied vom guten Mond singen ließ.
Jasmin blieb umso lieber, weil sie sich nicht auch noch mit Marko auseinander setzen musste. Mit ihm hatte sie immer Schwierigkeiten gehabt, was sicher auf Norberts Einfluss zurückzuführen war. Wenn Norbert meinte, Marko sei arrogant, meinte Jasmin das eben auch. Seit einigen Monaten hatte sie sogar erhebliche Schwierigkeiten mit ihrem Stiefvater.
Im vergangenen November war Marko einmal unerwartet nach Hause gekommen, während sie Kevin hütete. Karen war noch nicht vom Theater zurück, Kevin schlief längst, und Jasmin schaute sich im Spätprogramm einen Softporno an. Bei Christa durfte sie solche Filme natürlich nicht sehen, da durfte sie nicht einmal um die Zeit noch vor dem Fernseher sitzen. Mit ihren elf Jahren bekam sie schon Stielaugen, wenn sie zwei Nackte in Aktion sah. Ansprechen durfte man sie allerdings nicht darauf – was Marko geflissentlich ignorierte.
Er zog sie gerne damit auf, mahnte scherzhaft, nicht in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten und sich auch nicht an Christa zu orientieren, die bei Norberts Geburt ja ebenfalls noch sehr jung gewesen war. Manchmal erkundigte er sich spöttisch, was Jasmin in ihrem Zimmer triebe, wenn Christa vermutete, sie mache nur Schularbeiten – zusammen mit einem Freund in ihrem Alter, den Christa für absolut harmlos hielt. Jasmin hasste Markos ironische Anspielungen auf Frühreife und vermeintliche Familientraditionen.
Um Viertel vor acht ging Karen nach nebenan. Sie fuhr immer mit den Nachbarn zu den Proben, zum Laufen war es zu weit. Erst kurz vor zwölf kam sie zurück, freute sich darauf, noch eine halbe Stunde mit Jasmin zu kuscheln. Sie war sehr enttäuscht, statt ihrer Tochter ihren Mann anzutreffen. Marko saß noch an Kevins Bett und sang das Lied vom guten Mond. Er nannte keinen Grund, warum er doch früher als angekündigt aus Frankfurt weg gekommen war. Sie fragte auch nicht nach einem, wollte nur wissen, warum Jasmin es sich plötzlich anders überlegt hatte. Sie nahm an, Marko habe das Kind verärgert.
«Ich habe keine drei Worte mit ihr gewechselt», sagte er. «Als ich hereinkam, stand sie schon abmarschbereit in der Diele. Sie hatte wohl mein Auto gehört.»
«Jasmin hat an Telefon gespielt», erklärte Kevin. «Und mich geschimpft, weil ich meine Pfeife nicht finden konnte.»
«Ist
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