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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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«Sie müssen mich ja für ziemlich beschränkt halten. Meinen Sie, ich jage hier nur Tauben? Was ist denn mit dem Verdacht gegen den Knaben in München? Nach allem, was ich von Weigler gehört habe, steht es fifty-fifty. Nehmen Sie sich das Bürschchen lieber noch mal zur Brust, ehe Sie hier auf den Putz klopfen.»
    «Für den Knaben bin ich nicht zuständig», erwiderte Scheib.
    «Könnte aber nicht schaden, wenn Sie ihn sich einmal richtig vorknöpfen», meinte Klinkhammer. «Der hat schon zu viel Zeit bekommen, sich zu erholen. An Ihrer Stelle würde ich auch seinem Vater mal auf den Zahn fühlen. Wohin fährt denn so ein Bengel, wenn er Mist gebaut hat? Zu Papa, damit der den Mist wegräumt.»
    Als Scheib ihm darauf nicht antwortete, erzählte Klinkhammer: «Ich hatte hier so einen Fall. Sechzehnjährige Arzttochter, zweifelsfrei von einem guten Bekannten in einer emotionalen Ausnahmesituation getötet. Mittags waren seine Zwillingsschwester und ihre beiden Kinder tödlich verunglückt. Abends jammerte das Mädchen ihm etwas vor, weil ein Pferd verkauft worden war, an dem es mit Leib und Seele hing. Da ist er ausgerastet. Sein Vater hat die Leiche beseitigt – so gründlich, dass wir keine Chance hatten, sie zu finden.»
    «Wie kommt denn ein Taubenjäger an so einen Fall?», fragte Scheib ironisch.
    «Die Vollblutkriminalisten sahen keinen Grund zur Aufregung», antwortete Klinkhammer. «Eine Sechzehnjährige, ich bitte Sie! Feststellen, dass so ein Mädchen sich eine Nacht bei einem Freund gönnt, kann auch ein Trottel. Ich hab’s dann ja auch prompt verpatzt. In den ersten Tagen hätte ich wahrscheinlich leichtes Spiel mit dem Täter gehabt. Er war in einer fürchterlichen Verfassung, aber die erklärte sich zuerst im Tod seiner Schwester. Und dann war die Chance vertan. Ich habe zwar noch ein Geständnis bekommen, doch das wurde widerrufen. Und ich hatte nichts in der Hand, um ihn festzunageln. Seinem Vater konnte ich überhaupt nichts beweisen, obwohl ich eine klare Vorstellung hatte, wie die Leiche beseitigt worden war. Wir haben ihm die Bude auseinander genommen, sogar einen Landwirtschaftsexperten zugezogen. Und der meinte, es lohne nicht mehr, dreißig Stück Milchvieh zu schlachten. Kühe haben zwar ein anderes Verdauungssystem als Schweine, aber inzwischen fressen sie ja auch alles.» Danach war er endlich still.
    Scheib konzentrierte sich auf die Umgebung. Eine kaum befahrene Landstraße, die Komfortzone des Mörders an einem Samstagmorgen kurz vor acht. Die meisten Bewohner der Zone schliefen wohl noch oder saßen beim Frühstück, um danach Einkäufe zu machen.
    Seine Frau hatte auch Einkäufe mit ihm machen wollen. Doch als er mit Kirby telefonierte, das Gespräch führte er in der Wohnung, hörte sie zwangsläufig, worum es ging. Sie konnte es nur nicht glauben. «Habe ich das richtig verstanden?», fragte sie, als er auflegte. «Es gibt einen Verdächtigen?»
    Er nickte und erzählte, um wen es sich handelte.
    «Mit Familie habe ich das Phantom nie gesehen», sagte sie.
    «Ich schon», erwiderte er. «Und frag mich nicht, wie oft oder in welchen Situationen.»
    «Die arme Frau», sagte sie.
    Aber wie eine arme Frau sah Karen Stichler nicht aus, als sie ihnen die Tür öffnete, obwohl sie außer dem Ehering keinen Schmuck trug, nicht mal eine Armbanduhr. Sie wirkte auch nicht verwirrt oder depressiv. Nur verlegen in den ersten Minuten – allein mit zwei fremden Männern in ihrer Puppenstube.
    Gefrühstückt hatten sie schon, aber der Tisch war noch nicht abgeräumt. Marko war mit Kevin im Bad und sie im Bademantel, als sie erschienen. Klinkhammer wieder in Jeans und Polohemd, mit dieser Frisur, bei der sie unwillkürlich Christa mit Kamm und Schere vor sich sah. Er lächelte sie an, freundlich, beruhigend, als wolle er sagen, nur keine Aufregung, es ist alles in Ordnung.
    «Entschuldigen Sie die frühe Störung, Frau Stichler», sagte er, zeigte auf Scheib, der sich hinter ihm hielt. «Herr Scheib aus München. Er hat noch ein paar Fragen an Ihren Mann und möchte sich gerne persönlich mit ihm unterhalten, nicht übers Telefon und drei Ecken. Damit es keine Missverständnisse gibt. Dürfen wir reinkommen?»
    Hätte sie nein sagen sollen? Sie führte die beiden Männer ins Wohnzimmer. Mitten im Zimmer blieben sie stehen, keiner setzte sich, obwohl sie auf die Couchgarnitur zeigte. Keiner sagte etwas. Klinkhammer lächelte weiter, als hätte er einen Krampf im Gesicht. Scheib schaute sich

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