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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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aufmerksam um. Plötzlich schämte sie sich für die Glaskugeln im Fenster, die Seidenblumensträuße, den Kranz an der Haustür, den ganzen Kitsch. Das war nicht sie, das war sie nie gewesen.
    Sie fragte sich, was er von ihr denken mochte. Eine dumme Gans, nichts weiter im Kopf als Nippes, vielleicht noch ein paar Kochrezepte. Kein Wunder, wenn der Mann da mal nach anderen schielte und hübsche junge Frauen in sein Auto steigen ließ, wenn sie ihn baten, sie mit nach München zu nehmen.
    Kevin kam herunter, um zu sehen, wer geklingelt hatte. Er stürzte sich auf Klinkhammer wie auf einen guten Bekannten, erzählte, was für diesen Tag auf dem Programm stand. «Erst muss ich noch mit Papa einkaufen. Und dann fahren wir dahin. Die haben ein Wildwasserbahn. Wenn ich ein Fisch habe, fahren wir noch mal. Dann nehm ich mein Fisch mit.»
    «Das würde ich mir an deiner Stelle aber gut überlegen», sagte Klinkhammer. «Du siehst deinen Fisch nie wieder, wenn du ihn mit auf eine Wildwasserbahn nimmst.»
    «Papa kauft mir ein Fisch im Glas», erklärte Kevin eifrig. «Das kann ich gut festhalten.»
    Karen beobachtete Scheib. Es sah aus, als zähle er die Seidenblumen und multipliziere sie mit den Glaskugeln. Nachdem das Ergebnis feststand, betrachtete er sie, als hätte sie noch mindestens zwei Kugeln unter dem Bademantel versteckt. Sie fand es unverschämt, wie er sie musterte, als hätte er seit Jahren keine Frau mehr im Bademantel gesehen, eine Dunkelhaarige, die der lebende Beweis dafür schien, dass sämtliche Blondinenwitze an der falschen Haarfarbe herbeigezogen waren.
    Klinkhammer tat, als fiele ihm das nicht auf, unterhielt Kevin mit dem Goldfisch, den er als kleiner Junge besessen und einmal mit in die Badewanne genommen hatte, was dem Fisch nicht gut bekommen war. Fische vertrugen keine Schaumbäder.
    «Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?», fragte sie, weil sie das Gefühl hatte, sie sollte etwas sagen, ehe Scheib eine Röntgenaufnahme von ihrer Lunge gemacht hatte.
    Er nickte und lächelte. «Sehr freundlich, da sage ich nicht nein.» Sie nahm an, es sei genau die Frage gewesen, die er von einer dummen Gans erwartete.
    Es war Scheib nicht bewusst, dass er sie anstarrte und seine taxierenden Blicke bei ihr einen falschen Eindruck wecken könnten. Sie sollte es anschließend auf Diskette festhalten, sodass später etliche Polizisten lesen konnten, was sie empfunden und wie sie ihn beurteilt hatte. Ein Typ wie Marko – nicht nur äußerlich. Sie war überzeugt, dass er wie ihr Mann großen Wert auf gute Arbeit legte. In seinem Fall bedeutete das, er müsste zwangsläufig ein Gerechtigkeitsfanatiker sein.
    Dabei versuchte er nur, sie einzuschätzen. Die Frau des Phantoms! Wie oft hatte er sie gesehen in den Armen eines Mannes, der ungefähr seine Größe hatte, in etwa sein Gesicht, seine Figur, seine Haarfarbe und sein Alter. Sie hatte nie ein Gesicht gehabt für ihn, auch nicht viel Verstand. Nun stand sie da, das Gegenteil dessen, was er sich vorgestellt hatte.
    Sie war keine ausgesprochene Schönheit wie Julia Roberts, Sabine Bergholt, Waltraud Habel und die anderen. Aber hässlich war sie gewiss nicht. Eine gute Figur, ein apartes Gesicht, wachsame, misstrauische Augen. Ein wacher Verstand, darauf hätte er geschworen. Eine intelligente junge Frau, deren Haut an Stirn, Wangen und Hals plötzlich von einem zarten roten Schimmer überzogen wurde. Scham!
    Er fragte sich, wofür sie sich schämte. Sie griff nicht an ihren Bademantel. Dass er mehr von ihren Brüsten freigab, als züchtig gewesen wäre, schien ihr nicht bewusst oder nicht wichtig. Und er sah sonst keinen Grund – außer dem Wissen, dass ihr Mann alle zwei Jahre etwas tat, woran sie bisher geflissentlich vorbeigeschaut hatte. Und nun zwangen zwei Polizisten sie, genau hinzusehen, sich dem Grauen vor der Welt zu stellen. Es gab viele Irrtümer in diesem Fall, das war sein größter.
    Seidenblumensträuße und Glaskugeln, las auch er später. Ihn störte die Dekoration nicht, sie wunderte ihn nur, offenbarte einen neuen Aspekt. Eine derart weiblich verspielte Note hatte er nicht erwartet im Haus eines seit achtzehn Jahren aktiven Serienmörders. Einer Frau freie Hand in Einrichtungsfragen zu lassen, stand im Widerspruch zu Kontrollbedürfnis und Machtstreben. Es sei denn, dieses Haus war für Marko Stichler nur die Fassade des integren Bürgers, die seine Frau nach eigenem Gutdünken dekorieren durfte. Sein Lebensmittelpunkt lag woanders. Und dort

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