Das Letzte Plädoyer: Roman
geheiratet hatten. Hochwürden O’Connor hätte nichts anderes gut geheißen.
Zum ersten Mal überlegte sich Danny, ob er die Verlobung lösen sollte. Schließlich konnte man von keiner Frau verlangen, 22 Jahre zu warten. Er entschied, erst nach seiner Berufung eine Entscheidung zu fällen.
Beth hatte ununterbrochen geweint, seit der Sprecher der Geschworenen den Schuldspruch verkündet hatte. Man hatte ihr nicht einmal erlaubt, Danny zum Abschied zu küssen, bevor ihn zwei Beamte zum Zellenblock führten. Ihre Mutter versuchte, sie auf dem Heimweg zu trösten. Ihr Vater sagte kein Wort.
»Der Albtraum ist vorüber, sobald er in Berufung geht«, versicherte ihre Mutter, klang aber nicht sehr überzeugt.
»Darauf würde ich nicht wetten«, meinte ihr Vater und bog mit dem Wagen in die Bacon Road.
Ein Sirenenton verkündete, dass die 45 Minuten Freigang vorüber waren. Die Gefangenen wurden rasch zurück in ihre Zellen getrieben, Block für Block.
Big Al schlummerte bereits auf seinem Bett, als Danny die Zelle betrat. Nick folgte ihm einen Augenblick später und schlug hinter sich die Tür zu. Sie würde frühestens zum Tee wieder geöffnet – in vier Stunden.
Danny kletterte auf seine Pritsche, während Nick sich auf den Plastikstuhl am Resopaltisch setzte. Er wollte gerade anfangen zu schreiben, als Danny fragte: »Was kritzelst du da?«
»Ich führe Tagebuch«, erklärte Nick. »Ich schreibe alles auf, was hier vor sich geht.«
»Warum willst du dich an dieses Loch erinnern?«
»Das vertreibt mir die Zeit. Und nach meiner Freilassung will ich Lehrer werden, darum ist es wichtig, dass ich geistig rege bleibe.«
»Wird man dir erlauben, Lehrer zu werden, wo du doch im Knast warst?«, fragte Danny.
»Du hast doch bestimmt über den Lehrermangel gelesen?« Nick grinste.
»Ich les nich viel«, gab Danny zu.
»Dann wäre es vielleicht gut, damit anzufangen.« Nick legte seinen Stift beiseite.
»Ich wüsste nich, warum«, sagte Danny. »Schon gar nich, wo ich doch die nächsten 22 Jahre hier eingesperrt sein werd.«
»Dann könntest du wenigstens die Briefe deines Anwalts lesen, wodurch du besser auf deine Verteidigung vorbereitet wärst, sobald es in die Berufung geht.«
»Hört ihr auch mal auf zu quatschen?«, brummte Big Al mit einem schweren schottischen Akzent, den Danny kaum verstehen konnte.
»Es gibt doch sonst nichts zu tun«, erwiderte Nick lachend.
Big Al richtete sich auf und zog einen Tabaksbeutel aus seiner Jeanstasche. »Wofür sitzt du ein, Cartwright?«, fragte er und brach damit die Goldene Regel der Gefangenenetikette.
»Mord«, antwortete Danny. Er schwieg kurz. »Aber ich wurde reingelegt.«
»Das sagen sie alle.« Big Al zog aus der anderen Hosentasche ein Päckchen Zigarettenpapier, nahm ein Blatt heraus und gab etwas Tabak darauf.
»Mag ja sein, aber ich bin es trotzdem nich gewesen«, insistierte Danny. Ihm fiel nicht auf, dass Nick jedes Wort mitschrieb. »Und was ist mit dir?«, wollte er wissen.
»Ich? Ich bin schlicht und ergreifend ein verdammter Bankräuber.« Big Al leckte über das Papier. »Manchmal kann ich mich absetzen und bin reich, dann wieder schnappen sie mich. Das letzte Mal hat mir der verfickte Richter 14 Jahre aufgebrummt. Verdammte Frechheit.«
»Und wie lange bist du schon in Belmarsh?«, fragte Danny.
»Seit zwei Jahren. Verdammte Frechheit«, wiederholte Big Al. »Sie haben mich eine Zeitlang in den offenen Vollzug verlegt, aber dann habe ich beschlossen, mich vom Acker zu machen. Dieses Risiko werden sie wohl nicht mehr so schnell eingehen. Hat einer von euch Feuer?«
»Ich rauche nich«, sagte Danny.
»Ich auch nicht, wie du ja weißt«, sagte Nick und schrieb weiter in sein Tagebuch.
»Was für zwei Weicheier«, brummte Big Al. »Jetzt kann ich erst nach dem Tee eine rauchen.«
»Dann kommst du also nie wieder aus Belmarsh raus?«, fragte Danny ungläubig.
»Erst am Tag meiner Entlassung«, antwortete Big Al. »Wenn man sich erst mal aus dem offenen Vollzug abgesetzt hat, verfrachten sie einen sofort in ein Hochsicherheitsgefängnis. Kann den elenden Mistkerlen keinen Vorwurf machen. Wenn sie mich wieder in den offenen Vollzug verlegen, würde ich es glatt noch einmal machen.« Er steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen. »Aber ich habe ja nur noch drei Jahre abzusitzen.« Er legte sich auf sein Bett, mit dem Gesicht zur Wand.
»Und was ist mit dir?«, wandte sich Danny an Nick. »Wie lange musst du noch?«
»Zwei Jahre,
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