Das Letzte Plädoyer: Roman
vier Monate und elf Tage. Und du?«
»Zweiundzwanzig Jahre«, sagte Danny. »Außer ich gewinne meine Berufung.«
»Niemand gewinnt seine Berufung«, sagte Big Al. »Sobald sie dich hier drin haben, lassen sie dich nicht wieder raus, also gewöhnst du dich besser daran.« Er nahm die Zigarette aus dem Mund. »Oder du knüpfst dich auf.«
Beth lag ebenfalls im Bett und starrte zur Decke hoch. Sie würde auf Danny warten, gleichgültig wie lange es dauerte. Sie war immer noch davon überzeugt, dass er die Berufung gewinnen würde. Und ihr Vater würde letzten Endes erkennen, dass sie beide die Wahrheit sagten.
Mr. Redmayne hatte ihr versichert, dass er Danny auch bei der Berufung vertreten würde und dass sie sich keine Gedanken um die Kosten machen solle. Danny hatte recht. Mr. Redmayne war echt klasse. Beth hatte bereits ihre gesamten Ersparnisse aufgebraucht und auch ihren Jahresurlaub, um an jedem Verhandlungstag anwesend zu sein. Wozu brauchte sie noch Urlaub, wenn sie ihn nicht mit Danny verbringen konnte? Ihr Chef war unglaublich verständnisvoll und sagte ihr, sie müsse erst nach dem Ende der Verhandlung wieder arbeiten. Falls Danny freigesprochen werden sollte, dann könne sie noch einmal zwei Wochen Urlaub für die Flitterwochen bekommen, hatte Mr. Thomas gesagt.
Aber nun würde Beth am Montag wieder an ihrem Schreibtisch sitzen und die Flitterwochen würden mindestens ein Jahr lang verschoben. Obwohl sie die Ersparnisse ihres ganzen Lebens für Dannys Verteidigung aufgewendet hatte, nahm sie sich vor, ihm jede Woche etwas Geld zu schicken, da der Wochenlohn im Gefängnis nur 12 Pfund betrug.
»Möchtest du eine Tasse Tee, Schätzchen?«, rief ihre Mutter aus der Küche.
»Tee!«, dröhnte eine Stimme, und die Tür wurde zum zweiten Mal an diesem Tag aufgeschlossen. Danny nahm seinen Plastikteller und seinen Becher und folgte dem Strom von Gefangenen die Treppe hinunter, wo sie sich vor der Warmhaltetheke anstellten.
Ein Beamter stand am Kopf der Schlange und ließ immer nur sechs Gefangene auf einmal zur Theke vor.
»Wegen des Essens gibt es mehr Prügeleien als wegen sonst was«, erklärte Nick, während sie in der Schlange anstanden.
»Anders als im Sportstudio«, meinte Big Al.
Zu guter Letzt durften sich Danny und Nick zu vier Mitgefangenen an die Warmhaltetheke gesellen. Hinter der Ausgabe befanden sich fünf Gefangene in weißen Overalls und weißen Mützen, die dünne Latexhandschuhe trugen. »Was gibt es denn heute Abend?«, fragte Nick und reichte seinen Teller über die Theke.
»Du kannst Würstchen mit Bohnen, Rindfleisch mit Bohnen oder Pommes frites mit Bohnen haben. Du hast die freie Wahl«, meinte einer der Gefangenen hinter der Theke.
»Dann nehme ich die Pommes frites ohne Bohnen, vielen Dank«, sagte Nick.
»Für mich dasselbe, aber mit Bohnen«, sagte Danny.
»Wer bist du?«, fragte der Insasse hinter der Theke. »Sein verdammter Bruder?«
Danny und Nick mussten lachen. Obwohl sie dieselbe Größe und etwa dasselbe Alter hatten und auch dieselbe Gefängnisuniform trugen, war bislang keinem von beiden die Ähnlichkeit aufgefallen. Schließlich war Nick stets sauber rasiert, und kein Haar lag schief, während Danny sich nur einmal die Woche rasierte und seine Haare, um mit Big Al zu sprechen, aussahen ›wie bei einem Sumpfmonster‹.
»Wie kommt man denn an einen Job in der Küche?«, wollte Danny wissen, als sie langsam wieder die Treppe in den ersten Stock hochstiegen. Danny entdeckte rasch, dass man grundsätzlich langsam ging, wenn man seine Zelle verlassen hatte.
»Das muss man sich verdienen.«
»Und wie?«
»Zum einen darf man nie auffällig werden«, erklärte Nick.
»Und wie schafft man das?«
»Nie einen Beamten anpflaumen, immer pünktlich zur Arbeit erscheinen und sich nie in eine Prügelei verwickeln lassen. Wenn man alles drei schafft, hat man es sich nach ungefähr einem Jahr verdient. Aber den Job in der Küche bekommt man trotzdem nicht gleich.«
»Warum nich?«
»Weil es in diesem Gefängnis noch tausend andere verdammte Insassen gibt«, warf Big Al ein, »und neunhundert von ihnen wollen in der Küche arbeiten – logisch, oder? Man verbringt einen Großteil des Tages außerhalb der Zelle und kann sich vom Essen immer das Beste aussuchen. Also vergiss es, Dannyboy.«
Danny aß schweigend und dachte darüber nach, wie er sich um diesen Job schneller verdient machen könnte. Kaum hatte Big Al das letzte Stück Wurst verschlungen, stand er
Weitere Kostenlose Bücher