Das Letzte Plädoyer: Roman
Abfahrt wartete, wandte er seine Aufmerksamkeit dem Sportteil der Zeitung zu. Bis zum Beginn der nächsten Fußballspielzeit dauerte es noch über einen Monat, aber er hegte große Hoffnungen für die Mannschaft von West Ham, die in der vorigen Spielzeit siebte der Premier League geworden waren. Ein Gefühl der Trauer überkam ihn bei dem Gedanken, dass er es nicht riskieren konnte, jemals wieder im Upton Park an einem Spiel teilzunehmen. Man hätte ihn erkennen können. Vergiss nicht: Danny Cartwright ist tot und begraben.
Langsam fuhr der Zug aus dem Bahnhof. Danny sah, wie die Stadt dem Land wich. Es überraschte ihn, wie schnell der Zug die Höchstgeschwindigkeit erreichte. Er war noch nie zuvor in Schottland gewesen – sein nördlichster Ausflug hatte der Vicarage Road in Watford gegolten.
Danny fühlte sich erschöpft, dabei war er erst seit wenigen Stunden in Freiheit. Alles lief so viel schneller und es fiel ihm besonders schwer, Entscheidungen zu treffen. Er sah auf Nicks Uhr – seine Uhr. Viertel nach elf. Er versuchte, wieder in der
Times
zu lesen, aber ihm fielen die Augen zu.
»Die Fahrkarten, bitte.«
Danny wachte abrupt auf, rieb sich die Augen und reichte dem Schaffner seinen Gutschein. »Tut mir leid, Sir, aber dieser Gutschein ist in diesem Zug nicht gültig. Sie müssen eine Ersatzkarte lösen.«
»Aber ich …«, fing Danny an. »Ich muss mich entschuldigen. Was macht das bitte?«, fragte Nick.
»84 Pfund.«
Danny konnte kaum glauben, dass er einen solchen Fehler begangen hatte. Er zog seine Brieftasche heraus und reichte dem Schaffner das Geld, der daraufhin einen Fahrschein ausdruckte.
»Danke, Sir«, sagte er, nachdem er Danny den Fahrschein gegeben hatte. Danny fiel auf, dass er ihn ›Sir‹ nannte, ohne groß darüber nachzudenken. Nicht ›Kumpel‹, wie es jeder Busschaffner im East End getan haben würde.
»Möchten Sie ein Mittagessen einnehmen, Sir?«
Das lag nur an seiner Kleidung und seiner Sprache. »Ja«, sagte Danny.
»Der Speisewagen befindet sich zwei Wagen weiter vorn. In ungefähr einer halben Stunde wird dort serviert.«
»Ich danke Ihnen sehr.« Ein weiterer von Nicks Lieblingsaussprüchen.
Danny sah aus dem Fenster. Die Landschaft flog nur so vorbei. Nachdem sie durch Grantham gefahren waren, blätterte er zum Finanzteil der
Times
, wurde aber von einer Stimme unterbrochen, die über Lautsprecher verkündete, dass der Speisewagen nunmehr geöffnet sei. Danny machte sich auf den Weg und setzte sich an einen kleinen Tisch in der Hoffnung, dass sich niemand zu ihm gesellen würde. Er las die Speisekarte sorgfältig und fragte sich, was Nick gewählt hätte. Ein Kellner trat an seinen Tisch.
»Pâté de foie gras«, sagte Danny. Er wusste, wie man es ausspricht, hatte aber keine Ahnung, wie es schmecken würde. In der Vergangenheit hatte seine goldene Regel gelautet, nichts zu bestellen, was einen ausländischen Namen hatte. »Danach Steak und Nierchen.«
»Und zum Nachtisch?«
Nick hatte ihm beigebracht, dass man niemals alle drei Gänge auf einmal bestellte. »Das überlege ich mir noch«, erwiderte Danny.
»Sehr wohl, Sir.«
Nachdem Danny gegessen hatte, hatte er auch alles gelesen, was die
Times
zu bieten hatte, einschließlich der Theaterkritiken, bei denen er an Lawrence Davenport hatte denken müssen. Doch das würde warten müssen. Danny hatte anderes im Sinn. Er hatte die Mahlzeit sehr genossen, bis ihm der Kellner eine Rechnung über 27 Pfund präsentierte. Er gab ihm 30 und war sich bewusst, dass seine Brieftasche sekündlich leichter wurde.
Laut Nicks Tagebüchern glaubte Mr. Munro, dass der Besitz in Schottland und das Haus in London für eine beträchtliche Summe verkauft werden könnten, wenn man sie auf den Markt warf, allerdings hatte er darauf hingewiesen, dass es bis zu einem Abschluss mehrere Monate dauern konnte. Danny wusste, dass er nicht mehrere Monate mit weniger als 200 Pfund auskommen konnte.
Er kehrte an seinen Platz zurück und dachte an sein Treffen mit Mr. Munro am nächsten Tag. Als der Zug in Newcastle-upon-Tyne hielt, öffnete Danny die Lederriemen um den Koffer und holte Mr. Munros Akte heraus. Er nahm die Briefe zur Hand. Obwohl sie Antworten auf Nicks Fragen enthielten, konnte Danny nicht wissen, was Nick in seinen Briefen geschrieben hatte. Er versuchte zu erraten, was Nick gefragt haben könnte, nachdem er Munros Antworten gelesen hatte. Nur die Daten und die Tagebucheinträge dienten ihm als Hinweise. Aber
Weitere Kostenlose Bücher