Das Letzte Plädoyer: Roman
Lederkoffer mit der anderen, aber er musste alle paar Meter stehen bleiben und die Seiten wechseln.
»Ich würde Ihnen ja gern helfen, Moncrieff«, flüsterte Pascoe, »aber wenn ich das tue, kriege ich das bis ans Ende meiner Tage aufs Butterbrot geschmiert.«
Schließlich standen sie vor Dannys Zelle und Pascoe schloss die Tür auf. »Ich komme Sie in einer Stunde holen. Ich muss erst einige Jungs nach Old Bailey befördern, bevor wir Sie entlassen können.« Zum letzten Mal wurde eine Tür vor Dannys Nase zugeschlagen.
Danny ließ sich Zeit. Er öffnete den Koffer und legte ihn auf Big Als Bett. Er fragte sich, wer heute Nacht in dieser Zelle schlafen würde. Jemand, der an diesem Morgen in Old Bailey stand und hoffte, die Geschworenen würden ihn für nicht schuldig befinden. Danny leerte den Inhalt der Plastiktüten auf das Bett und kam sich dabei wie ein Räuber vor, der seine Beute inspiziert: zwei Anzüge, drei Hemden, ein Kavalleriedress, wie es im Tagebuch hieß, dazu zwei Paar Reiterstiefel, in Braun und in Schwarz. Danny wählte den dunklen Anzug, den er zu seiner eigenen Beerdigung getragen hatte, ein cremefarbenes Hemd, eine gestreifte Krawatte und glänzende, schwarze Schuhe, die selbst nach vier Jahren nicht poliert werden mussten.
Danny Cartwright stand vor dem Spiegel und starrte Sir Nicholas Moncrieff an, Offizier und Gentleman. Er kam sich vor wie ein Hochstapler.
Danny faltete seine Gefängniskleidung und legte sie auf Nicks Pritsche. Für ihn war es immer noch Nicks Pritsche. Dann packte er den Rest der Kleidung ordentlich in den Koffer, bevor er Nicks Tagebücher unter dem Bett hervorzog, zusammen mit einer Mappe, auf der
Fraser Munro
stand und die voller Briefe war – 28 Briefe, die Danny beinahe auswendig aufsagen konnte. Sobald er zu Ende gepackt hatte, blieben nur ein paar von Nicks persönlichen Besitztümern übrig, die Danny auf den Tisch legte, sowie das Foto von Beth, das an die Wand geklebt war. Vorsichtig löste er die Klebestreifen, dann steckte er das Foto in eine Seitentasche des Koffers, den er daraufhin zuschnappen ließ und neben die Zellentür stellte.
Danny setzte sich an den Tisch und betrachtete die persönlichen Gegenstände seines Freundes. Er legte Nicks schmale Longines-Armbanduhr an, auf deren Rückseite 11. 7. 91 eingraviert war – ein Geschenk seines Großvaters zu seinem 21. Geburtstag. Dann streifte er den goldenen Ring mit dem Familienwappen der Moncrieffs über. Danny starrte auf die schwarze Lederbrieftasche und kam sich noch mehr wie ein Dieb vor. In der Brieftasche befanden sich 70 Pfund in bar und ein Scheckbuch von Coutts mit einer Adresse in The Strand auf dem Umschlag. Er steckte die Brieftasche in seine Innentasche, drehte sich auf dem Plastikstuhl zur Zellentür und wartete auf das neuerliche Auftauchen von Mr. Pascoe. Er war bereit zur Flucht. Während er so dasaß, erinnerte er sich an eine der liebsten falschen Redewendungen von Nick:
Frauen, Kinder und Gefängnisinsassen zuerst.
Danny langte in seinen Hemdausschnitt und berührte den kleinen Schlüssel, der an der Kette um seinen Hals hing. Er wusste immer noch nicht, was man mit dem Schlüssel aufschließen konnte – für ihn schloss er jedoch die Gefängnispforten auf. Danny hatte in den Tagebüchern, auf über tausend Seiten, nach einem Hinweis gesucht, aber nichts gefunden. Wenn Nick es gewusst hatte, dann hatte er das Geheimnis mit ins Grab genommen.
Ein ganz anderer Schlüssel wurde jetzt im Schloss der Zellentür gedreht. Die Tür ging auf und Mr. Pascoe stand allein vor ihm. Danny erwartete fast, dass er gleich sagte: ›Netter Versuch, Cartwright, aber Sie haben doch nicht wirklich erwartet, dass Sie damit durchkommen – oder?‹ Doch Pascoe sagte nur: »Zeit zu gehen, Moncrieff. Machen Sie schnell.«
Danny stand auf, nahm Nicks Koffer und trat vor die Tür. Er warf keinen Blick zurück in den Raum, der in den vergangenen zwei Jahren sein Heim gewesen war. Er schritt hinter Mr. Pascoe die Wendeltreppe hinunter. Als er den Block verließ, folgten ihm die Jubelrufe und das Gegröle jener, die ebenfalls bald entlassen würden, und jener, die das Tageslicht niemals wiedersehen würden.
Sie schritten den blauen Korridor entlang. Danny hatte ganz vergessen, wie viele Doppelpforten zwischen Block B und dem Empfangsbereich lagen, wo Mr. Jenkins an seinem Schreibtisch saß und auf ihn wartete.
»Guten Morgen, Moncrieff!«, rief er fröhlich. Er hatte eine Stimmlage für die
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