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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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gehen, du kämst gleich, und deine Großmutter sie schließlich von deiner Tür wegzieht und du sie schon auf dem Flur weinen hörst - nimm zwei Pi l len.
    Wenn du das Strassarmband findest, das sie dir unter der Tür durchgeschoben hat, nimm noch eine.
    Wenn niemand dein schlechtes Benehmen zu bemerken scheint, wenn alle nur lächelnd zu dir sagen: »Misty, was macht die M a lerei?«, dann ist Pillenzeit.
    Wenn du vor Kopfschmerzen nicht essen kannst. Wenn deine Hose keinen Halt mehr hat, weil dein Arsch weg ist. Wenn du an einem Spiegel vorbeigehst und das dürre, eingesunkene G e spenst nicht erkennst, das dir daraus entgegenblickt. Wenn deine Hände nur zu zittern aufh ö ren, wenn du zu Pinsel oder Bleistift greifst. Dann nimm eine Pille. Und bevor du die Hälfte der Fl a sche geleert hast, stellt Dr. Touchet schon eine neue mit deinem N a men darauf für dich bei der Anmeldung bereit.
    Wenn du einfach nicht aufhören kannst zu arbeiten. Wenn du an nichts anderes denken kannst, als dieses eine Bild zu Ende zu m a len. Dann nimm eine Pille.
    Denn Peter hat Recht.
    Du hast Recht.
    Weil alles wichtig ist. Jedes Detail. Wir wissen nur noch nicht, warum.
    Alles ist ein Selbstporträt. Ein Tagebuch. Alles, was du jemals an Medikamenten oder Drogen genommen hast, steckt in einer Strähne deines Haars. In deinen Fingern ä geln. Die forensischen Details. Deine Magenschleimhaut ist ein Dokument. Die Schwi e len an deiner Hand plaudern alle deine Geheimnisse aus. Deine Zähne verraten dich. Die Falten um deinen Mund und deine A u gen.
    Alles, was du tust, trägt deine Handschrift.
    Peter sagte immer, Aufgabe des Künstlers ist das Aufmerksa m sein, das Sammeln, das Organisieren, das Archivieren, das B e wahren und dann das Abfassen eines Berichts. Das Dokumenti e ren. Das Darstellen. Aufgabe des Künstlers ist es, einfach nichts zu vergessen.

21. Juli
Dreiviertelmond
    Angel Delaporte hält ein Gemälde hoch, dann ein anderes. A l les Aquarelle. Verschiedene Motive: Konturen seltsamer Hor i zonte, Landschaften, sonnige Felder. Kiefer n wälder. Der Umriss eines Hauses, eines Dorfs in der Fe r ne. Nur die Augen bewegen sich in Angels Gesicht, spri n gen auf jedem dieser Blätter hin und her.
    »Unglaublich«, sagt er. »Du selbst siehst furchtbar aus, aber deine Bilder... mein Gott.«
    Nur um das festzuhalten: Angel und Misty sind in Oystervi l le . In irgendeinem verschwundenen Wohnzimmer. Wieder einmal sind sie durch ein Loch in einer Wand hier hereingekrochen, um Fotos zu machen und sich die Gra f fiti anzusehen.
    Deine Graffiti.
    Wie Misty aussieht: Ihr wird nicht warm, auch mit zwei Pull o vern nicht, sie klappert mit den Zähnen. Wenn sie Angel ein Bild hinhält, zittert ihre Hand so sehr, dass das Aquarellpapier fla t tert. Eine Nachwirkung der Lebensmi t telvergiftung. Sogar in diesem abgedunkelten Zimmer, in das Licht nur durch dicke Vorhänge dringt, trägt sie ihre Sonnenbrille.
    Angel hat seine Kameratasche mitgebracht. Misty ihr Portfolio, das alte schwarze Plastikding aus ihrer Schulzeit, eine flache Mappe mit einem Reißverschluss um drei Seiten herum, sodass man das Ganze aufklappen und ausbreiten kann. Schmale Gummibänder halten auf einer Seite der Mappe die Aquarelle. Auf der anderen Seite st e cken Skizzen in Fächern verschiedener Größe.
    Während Angel schon Fotos macht, klappt Misty auf dem Sofa ihre Mappe auf. Als sie die Pillenflasche herau s nimmt, zittert ihr die Hand so sehr, dass man die Kapseln klappern hört. Sie fischt eine heraus und sagt zu Angel: »Grünalgen. Gegen Kop f schmerz.« Misty steckt sich die Kapsel in den Mund und sagt: »Sieh dir mal ein paar Bilder an, und sag mir, was du davon hältst.«
    Quer über das Sofa hinweg hat Peter etwas an die Wand g e sprüht. Die schwarze Schrift krakelt sich über gerahmte Famil i enfotos und bestickte Kissen. Über seidene La m penschirme. Er hat die plissierten Vorhänge zugezogen und seinen Text auch darau f gesprüht.
    Du hast das.
    Angel nimmt ihr die Pillenflasche aus der Hand und hält sie ins trübe Licht des Fensters. Er schüttelt die Flasche, die Kapseln da r in. Er sagt: »Die sind ja riesig.«
    Die Gelatinekapsel in ihrem Mund wird weich, ein G e schmack wie Salz und Alufolie tritt aus, der Geschmack von Blut.
    Angel reicht ihr die Ginflasche aus seiner Kameratasche, und Misty spült den bitteren Geschmack mit einem gr o ßen Schluck hinunter. Nur um das festzuhalten: Sie hat seinen Schnaps g e trunken. Auf der Kunstakademie

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