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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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haben.«
    Und Dr. Touchet sagt: »Wenn Sie sich umbringen, wird das Ihre Tochter nicht retten.«
    Hört sich an wie ihr Mann.
    Wie du, lieber geliebter Peter.
    Und Misty sagt: »Meine Tochter retten: Wovor?« Misty dreht sich um, sieht ihm in die Augen und sagt: »Haben wir Nazis hier draußen?«
    Und Dr. Touchet sieht sie an, er lächelt und sagt: »Natürlich nicht.« Er tritt an seinen Schreibtisch und nimmt eine Akte n mappe mit einigen Papieren darin. Er schreibt etwas hinein. Er sieht nach einem Kalender an der Wand über dem Schreibtisch. Er sieht auf die Uhr und schreibt etwas in die Akte. Seine Han d schrift - die Unterlängen hängen tief nach unten: unterbewusst, impulsiv. Gierig, hungrig, böse, würde Angel Delaporte sagen. Dr. Touchet sagt: »Hat sich bei Ihnen in letzter Zeit etwas geändert?«
    Und Misty bejaht das. Sie zeichne wieder. Zum ersten Mal seit dem College zeichne sie wieder, male ein bis s chen, hauptsächlich Aquarelle. In ihrem Dachgeschos s zimmer. In ihrer Freizeit. Sie habe die Staffelei so aufg e stellt, dass sie aus dem Fenster sehen könne, die ganze Küstenlinie bis zur Landspitze. Täglich arbeite sie an einem Bild. Male nach ihrer Fantasie. Die Wunschliste e i nes armen weißen Mädchens: große Häuser, Kirchenhochze i ten, Pic k nicks am Strand.
    Gestern hat Misty gearbeitet, bis sie plötzlich merkte, dass es draußen dunkel war. Fünf, sechs Stunden waren einfach so ve r schwunden. Verschwunden wie ein Wäschezimmer in S e aview . Im Bermudadreieck.
    Misty sagt zu Dr. Touchet: »Ich habe immerzu Kop f schmerzen, aber wenn ich male, ist es nicht ganz so schlimm.«
    Sein Schreibtisch ist aus lackiertem Metall, ein Stahlm ö bel, wie man es häufig in den Büros von Ingenieuren oder Steuerberatern sieht. Mit Schubladen, die auf reibungslosen Rollen au f gleiten und mit lautem Krach und Donner zugehen. Der Tinte n löscher ist aus grünem Filz. Darüber an der Wand der Kalender, die a l ten Dipl o me.
    Dr. Touchet mit seinem fleckigen Kahlkopf, über den er sich von einem Ohr zum andern ein paar lange, spröde Haare g e kämmt hat, könnte auch ein Ingenieur sein. Mit seiner dicken runden Stahlbrille und der dicken Uhr am Stretcharmband kön n te er auch ein Steuerberater sein. Er sagt: »Sie sind doch aufs Co l lege gega n gen, oder?«
    Kunstakademie, sagt Misty. Kein Abschluss. Abgebr o chen. Als Harrow starb, sind sie auf die Insel gezogen, um sich um Peters Mutter zu kümmern. Dann kam Tabbi. Dann schlief Misty nur mal kurz ein, und als sie aufwac h te, war sie fett und müde und hatte die besten Jahre hinter sich.
    Der Arzt lacht nicht. Man kann ihm keinen Vorwurf m a chen.
    »Als Sie Geschichte studiert haben«, sagt er, »haben Sie da auch was von den Jainas gehört? Den Anhängern des Jaini s mus , einer Art Buddhismus?«
    Nicht in Kunstgeschichte, sagt Misty.
    Er öffnet eine Schreibtischschublade und nimmt eine gelbe Pi l lenflasche heraus. »Ich kann Sie nicht genug wa r nen«, sagt er. »Halten Sie Tabbi nur ja fern davon.« Er macht die Flasche auf und schüttelt sich zwei durchsicht i ge Gelatinekapseln auf die Hand. Solche, die man in zwei Hälften auseinander ziehen kann. Drinnen ist ein loses, dunkelgrünes Pulver.
    Die Botschaft auf Tabbis Fensterbrett: Du wirst sterben, wenn sie mit dir fertig sind.
    Dr. Touchet hält ihr die Flasche vors Gesicht und sagt: »Ne h men Sie die nur, wenn Sie Schmerzen haben.« Kein Etikett. »Das ist ein pflanzliches Mittel. Es sollte Ihnen helfen, sich zu konzen t rieren.«
    Misty sagt: »Ist schon mal jemand am Stendhal-Syndrom g e storben?«
    Und der Arzt sagt: »Das sind hauptsächlich Grünalgen, dazu e t was Silberweidenrinde und Bienenpollen.« Er tut die Kapseln in die Flasche zurück und schraubt sie zu. Dann stellt er sie auf den Tisch neben ihren Oberschenkel. »Sie dürfen durchaus tri n ken«, sagt er, »aber bitte in M a ßen.«
    Misty sagt: »Ich trinke immer nur in Maßen.«
    Er sagt: »Wenn Sie das sagen.«
    Diese beschissenen Kleinstädte.
    Misty sagt: »Wie ist Peters Vater gestorben?«
    Und Dr. Touchet sagt: »Was hat Grace Wilmot Ihnen e r zählt?«
    Gar nichts. Nie davon gesprochen. Als sie die Asche verstre u ten, hatte Peter ihr erzählt, es sei ein Herzinfarkt g e wesen. Misty sagt: »Grace sagt, es war ein Hirntumor.«
    Und Dr. Touchet sagt: »Ja, das ist richtig.« Er knallt die Schu b lade zu. Er sagt: »Grace sagt, Sie haben ein sehr vielverspreche n des Talent.«
    Nur um das festzuhalten: Das Wetter

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