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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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heute ist ruhig und so n nig, aber die Luft ist voller blödem Gefasel.
    Misty fragt nach diesen Buddhisten, die er vorhin e r wähnt hat.
    »Jainas«, sagt er. Er nimmt die Bluse vom Haken an der Tür und reicht sie ihr. Auf dem Stoff unter den Ärmeln sind große dunkle Schweißflecken zu sehen. Dr. Touchet stellt sich neben sie und hilft ihr hinein.
    Er sagt: »Ich wollte nur sagen, für einen Künstler können chr o nische Schmerzen unter Umständen ein wahres G e schenk sein.«

17. Juli
    Auf der Kunstschule sagte Peter immer, alles, was man macht, ist Selbstporträt. Das kann aussehen wie Der heilige Georg und der Drache oder Der Raub der Sabinerinnen, aber der Blickwinkel, die B e leuchtung, die Komposition, die Technik, das alles bist immer nur du. Auch der Grund, aus dem heraus du gerade dieses M o tiv gewählt hast, sagt etwas über dich. Jede Farbe, jeder Pinse l strich: Das alles bist du.
    Peter sagte immer: »Ein Künstler kann immer nur sein eigenes Gesicht beschreiben, sonst gar nichts.«
    Du bist dazu verdammt, du zu sein.
    Das, sagt er, gibt uns die Freiheit, alles zu malen. Weil wir ja immer nur uns selbst malen.
    Deine Handschrift. Dein Gang. Für welches Porzella n muster du dich entscheidest. Mit all dem verrätst du dich. Alles, was du tust, trägt deine Handschrift.
    Alles ist ein Selbstporträt.
    Alles ist ein Tagebuch.
    Von Angel Delaportes fünfzig Dollar kauft Misty sich einen runden Rindshaarpinsel Nummer 5. Einen dicken Eichhör n chenpinsel Nummer 4 zum Tünchen. Einen runden Kamelhaa r pinsel Nummer 2. Einen spitzen Katze n zungenpinsel Nummer 6 aus Marderhaar. Und zum M a len des Himmels einen breiten, flachen Gru n dierpinsel Nummer 12.
    Misty kauft sich eine Aquarellpalette, ein rundes Aluminiu m blech mit zehn flachen Vertiefungen wie bei einem Backblech für Muffins. Sie kauft ein paar Tuben mit Go u ache-Wasserfarben. Zyperngrün, Viridian-Grün, Saftgrün und Winsor-Grün. Pre u ßischblau und eine Tube Krapprot. Havannah-Lake-Schwarz und E l fenbeinschwarz.
    Misty kauft milchig weiße Korrekturflüssigkeit, falls sie mal Fehler macht. Und pissgelbe Grundierung, auf der sich Fehler leicht beheben lassen. Sie kauft Gummiarabikum, blass ber n steinfarben wie schwaches Bier, das sie braucht, damit ihre Fa r ben auf dem Papier nicht ineinander laufen. Und klare Granul a tion, die den Farben ein körniges Aussehen verleiht.
    Sie kauft einen Block Aquarellpapier, feinkörniges, kaltgepres s tes Papier im Format 19 mal 24 Zoll. Der Handel s name für diese Größe ist »Royal«. Papier im Forma t 23 mal 28 Zoll heißt »El e phant«. Das Format 26,5 mal 40 Zoll nennt man »Double El e phant«. Ein schweres, säurefreies Papier. Sie kauft mit Lei n wand bezogene Pappe in den Formaten »Super-Royal«, »Imp e rial« und »Antiquarian«.
    Sie bringt das alles zur Kasse, und es kostet so viel mehr als fünfzig Dollar, dass sie mit ihrer Kreditkarte bezahlen muss.
    Wenn du in Versuchung gerätst, eine Tube Terra di Siena zu klauen, ist es an der Zeit, eine von Dr. Touchets kleinen grünen Algenkapseln zu nehmen.
    Peter sagte immer, der Künstler habe die Aufgabe, aus Chaos Ordnung zu schaffen. Man sammelt Details, sucht nach einem Muster und beginnt zu organisieren. Man bringt sinnlose Fakten in einen sinnvollen Zusamme n hang. Man kombiniert alles mit allem. Man mischt und gestaltet Fakten neu. Collage. Mo n tage. Assemblage.
    Wenn du arbeitest und jeder Tisch in deinem Bereich auf e t was wartet, du aber immer noch in der Küche bist und Papier mit Skizzen bedeckst, ist es an der Zeit, eine Pille zu nehmen. Wenn du Gästen die Rechnung bringst und auf der Rückseite ist eine kleine Studie in Licht und Scha t ten - du weißt nicht einmal, wo oder was das sein soll, das Bild ist dir einfach so gekommen. Es ist nichts, aber trot z dem willst du es eigentlich nicht weggeben. Dann ist es an der Zeit, eine Pille zu nehmen.
    »Diese nutzlosen Einzelheiten«, sagte Peter immer, »sind nur so lange nutzlos, bis du sie alle in einen Zusamme n hang bringst.«
    Peter sagte immer: »Für sich allein ist alles nichts.«
    Nur um das festzuhalten: Heute im Speiseraum, da stand Grace Wilmot mit Tabbi vor dem Glasschrank, der fast die gesamte Wand einnimmt. Darin sind, von weichem Licht beleuchtet, Po r zellanteller ausgestellt. Tassen auf Untertassen. Grace Wilmot zeigt nacheinander auf die einzelnen Stücke. Und Tabbi folgt ihr mit dem Zeigefinger und sagt: »Fitz and Floyd . .. Wedgwood . .. Noritake .

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