Das Letzte Protokoll
boden im Korridor. Urin. Ihr im Verband fixiertes Bein schleift hinterher.
»Ich wette«, sagt Angel, »du brauchst den Verband überhaupt nicht.« Er sagt: »Erinnerst du dich an den Se s sel auf dem Bild, das du mir verkauft hast?«
Misty sagt: »Erzähl.«
Er hat die Arme um sie gelegt und schleppt sie durch e i ne Tür ins Treppenhaus. »Dieser Sessel wurde 1879 von dem Kuns t tischler Hershel Burke gebaut«, sagt er, »und an die Familie Bu r ton auf Waytansea Island ausgeliefert.«
Ihr Verband knallt auf jede Stufe. Die Rippen tun ihr weh, weil Angel sie zu krampfhaft festhält; seine Finger wühlen und gr a ben unter ihren Achseln. »Ein Polizist«, sagt Misty. »Hat gesagt, i r gendeine Ökobande steckt die Häuser in Brand, in die Peter was geschrieben hat.«
»Abgebrannt«, sagt Angel. »Meins auch. Alles weg.«
Das Ozeanbündnis für Freiheit. Kurz OFF.
Angel trägt noch immer seine ledernen Autofahrerhandsch u he. Er schleppt Misty den nächsten Treppenabsatz hinunter und sagt: »Dir ist doch klar, was das heißt? Da muss irgendwas Übernatürliches dahinter stecken, ric h tig?«
Erstens, sagt Angel Delaporte, sei es unmöglich, dass sie so gut malen könne. Irgendein böser Geist benutze sie als mensc h liche Zeichenschablone. Sie tauge bestenfalls als ein dämonisches Ze i chenwerkzeug.
Misty sagt: »Hab mir gedacht, dass du so was sagen würdest.«
Oh, Misty weiß, was da vor sich geht.
Misty sagt: »Hör auf.« Sie sagt: »Warum bist du jetzt geko m men?«
Warum ist er, seit das alles angefangen hat, ihr Freund? Was bringt Angel Delaporte dazu, ihr dauernd auf die Nerven zu g e hen? Bis Angels Küche von Peter ruiniert worden war, bis Misty ihm ihr Haus vermietet hatte, kannten sie einander gar nicht. Jetzt schlägt er falschen Alarm und zerrt sie eine Treppe hinu n ter. Sie mit ihrem toten Kind und einem Mann im Koma.
Sie dreht die Schultern. Sie lässt die Ellbogen hochz u cken und trifft ihn damit im Gesicht, mitten auf seine nicht vorhandenen Augenbrauen. Damit er sie loslässt. Damit er sie in Ruhe lässt. Misty sagt: »Hör einfach auf.«
Und der Feueralarm hört auf. Plötzlich ist es still auf der Tre p pe. Nur in den Ohren klingt es noch nach.
Man hört Stimmen aus den Korridoren aller Etagen. Eine Stimme aus dem Dachgeschoss sagt: »Misty ist weg. Sie ist nicht in ihrem Zimmer.«
Dr. Touchet.
Bevor sie den nächsten Schritt tun können, droht Misty ihrem Retter mit der Faust. Sie flüstert: »Sag's mir.« Auf die Treppe g e sunken, sagt sie: »Warum tust du mir das an?«
21. August
... und ein halb
Alles, was Misty an Peter geliebt hat, Angel hat es zuerst g e liebt. Angel und Peter waren auf der Kunstakademie zusammen, bis dann Misty kam. Sie hatten schon ihre ganze Zukunft g e plant. Nicht als Künstler, sondern als Schauspieler. Womit sie später einmal ihr Geld verdienen würden, spiele keine Rolle, ha t te Peter ihm gesagt. Hatte er zu Angel Delaporte gesagt. Jemand in Peters Generat i on werde eine Frau heiraten, die die Familie Wilmot und sein ganzes Gemeinwesen so reich machen werde, dass keiner von ihnen werde arbeiten müssen. Über die Einze l heiten seines Plans hatte er sich nie ausgelassen.
Du hast dich nie darüber ausgelassen.
Peter sagte, alle vier Generationen lerne ein Junge von der I n sel eine Frau kennen, die er heiraten müsse. Eine junge Kunstst u dentin. Wie in einem alten Märchen. Er bringe sie mit sich nach Hause, und sie werde so gut malen, dass Waytansea I s land für weitere hundert Jahre im Reichtum schwelgen könne. Er opfere dafür sein Leben, aber das sei ja nur ein einziges Leben. Nur einmal alle vier Generationen.
Peter hatte Angel Delaporte seinen Schrottschmuck g e zeigt. Er hatte Angel von dem alten Brauch erzählt, dass die Frau, die auf diesen Schmuck reagiere, auf die er eine unwiderstehliche A n ziehung ausübe, die Märchenfrau sein werde. Jeder Junge seiner Generation müsse sich auf der Kunstakademie einschre i ben. Und immer mit einem dieser zerkratzten , verrosteten und angelauf e nen Schmuckstücke herumlaufen. Und so viele Fra u en kennen lernen wie möglich.
Du hast das tun müssen.
Lieber geliebter, eingeschlossener, bisexueller Peter.
»Peter der Rammler«, vor dem ihre Freundinnen sie zu wa r nen versucht hatten.
Die Broschen steckten sie sich in die Stirn, in die Brus t warzen. In Nabel und Wangen. Die Halsketten zogen sie sich durch L ö cher in der Nase. Sie machten sich aus B e rechnung abstoßend. Widerwä
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