Das letzte Relikt
denen sich extrem teure Haushaltstextilien stapelten.
»Ich fühle mich seit ein paar Nächten nicht mehr so richtig wie ich selbst. Ich kann nicht einschlafen, und wenn ich es schaffe, träume ich so schlecht, dass es sich kaum lohnt.«
»Hör zu, Beth … wenn dir nicht danach ist, am Wochenende mit aufs Land zu fahren, denk nicht weiter daran. Wir können es auch ein anderes Mal machen.«
»Nein, nein«, protestierte Beth. »Ich freue mich darauf. Ich glaube, der Tapetenwechsel wird mir ganz guttun.«
»Ich frage mich, ob ich Ben wohl auch dazu bekomme, es so zu sehen.«
»Ganz bestimmt«, versicherte Beth ihr, obwohl sie im Grunde ihres Herzens fand, dass Ben nicht ganz unrecht hatte. Obwohl das Haus auf den Bildern so heimelig ausgesehen hatte, ging von dem Ort etwas unbestimmt Tristes aus, etwas, das alle hellen Vorhänge und farbigen Tapeten der Welt nicht würden vertreiben können. Das Haus strahlte Einsamkeit aus, wirkte sogar ein wenig abweisend.
Ohne dass sie es geplant hätten, fanden sie sich am Ende eines Ganges in der Abteilung für Kinderzimmereinrichtungen wieder. Wo Beth auch hinsah, entdeckte sie Bettlaken und Kissenbezüge, verziert mit Karussells, tanzenden Seepferdchen und einer großen Auswahl an Disney-Figuren.
»Ist dir schon einmal aufgefallen, dass man, wenn man ohne Erfolg versucht schwanger zu werden, an jeder Ecke über Kinder und Kinderzeug stolpert?«, bemerkte Abbie.
Es war Beth aufgefallen. Und seit dem letzten Termin bei Dr. Weston, bei dem sie die schlechten Nachrichten über Carters Zeugungsunfähigkeit erhalten hatten, schien es nur noch schlimmer geworden zu sein. Egal, wohin sie ging, sie stieß auf Babys, Kinder und werdende Mütter.
»Ben und ich überlegen, ob wir es nächstes Jahr mit dieser In-vitro-Sache versuchen. Und wie sieht’s bei dir und Carter aus? Macht ihr irgendwelche Fortschritte?«
»Nein«, sagte Beth und versuchte, möglichst unbekümmert zu klingen. »Bisher jedenfalls nicht.« Obwohl Abbie ihre älteste und beste Freundin war, hatte sie ihr den jüngsten und in gewisser Weise endgültigen Rückschlag noch nicht mitgeteilt. »Macht es dir etwas aus, wenn ich mir kurz mal die Musterzimmer anschaue?«, sagte Beth. »Ich will immer wissen, wie weit ich der Mode hinterherhinke.«
»Nein, geh ruhig. Vielleicht mache ich mich auf die Suche nach der zickigen Verkäuferin und lasse sie überprüfen, wann meine Vorhänge geliefert werden.«
So schnell sie konnte, ließ Beth die Kinderabteilung hinter sich und ging ans andere Ende der Etage, wo die Dekorateure von Bloomingdale’s regelmäßig eine Reihe von Musterzimmern aufbauten, jedes in einem anderen phantastischen Stil. Stets aufs Neue amüsierte sie sich köstlich über das Nebeneinander eines englischen Salons und der Bude eines Hip-Hop-Gangsters, dem Schlupfwinkel auf einer Insel und der Berghütte aus Colorado. Gewöhnlich erging es einer Menge anderer Leute genauso, doch heute Abend war die Abteilung geradezu verwaist. Sie schlenderte an einem schnittigen Hightecharbeitszimmer und einem Hampton-Strandhaus vorbei, bis sie ganz allein vor dem letzten Musterzimmer in der Reihe stehen blieb.
Was sollte das bedeuten? Irgendeine Szene aus einem Roman von Paul Bowles? Es erinnerte vage an marokkanisches Dekor, ein Phantasie-Boudoir, komplett mit Webteppichen, Ornamenten aus gehämmertem Kupfer und einem riesigen Bett, das teilweise von einem hauchzarten hellgelben Vorhang verdeckt war. Hinter einem Türbogen sah sie die bemalte Leinwand mit wellenförmigen Sanddünen, die silbrig im Mondlicht glitzerten. Der Künstler, dachte sie, hatte vorzügliche Arbeit geleistet, es war überraschend überzeugend.
Tatsächlich war die gesamte Einrichtung gut gelungen – und äußerst einladend. Viel
zu
einladend. Plötzlich schien die Müdigkeit in ihren Knochen noch größer zu werden, und die Augen wurden ihr schwer. Den ganzen Tag schon war sie müde gewesen, aber jetzt hatte sie das Gefühl, als würde sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Sie musste sich hinlegen und die Augen schließen, und sei es nur für ein paar Minuten. Das Bett mit dem hauchzarten Vorhang war nur eine rote Absperrkordel weit entfernt.
Nein, das konnte sie nicht machen. Aber die Sehnsucht wurde rasch unwiderstehlich.
Und wer würde es schon merken? Es wäre ja nur für ein paar Minuten. Niemand war hier, niemand würde sie hinter dem Vorhang sehen, besonders, wenn sie sich beeilte.
Wenn sie sich endlich entscheiden und es
Weitere Kostenlose Bücher