Das letzte Revier
ihr sprechen, Kay«, fügt McGovern hinzu.
Ich entgegne nichts. Natürlich haben sie Recht. Jetzt habe ich zu allem Überfluss auch noch eine Freundin verloren. »Also, hast du ihr was erzählt?«, fragt mich Marino in dem vorwurfsvollen Tonfall, den ich nur zu gut kenne. »Ich habe gesagt, dass die Welt ohne Diane Bray besser dran ist«, erwidere ich. »Mit anderen Worten, ich habe gesagt, dass ich froh bin, dass sie tot ist.«
»Das geht allen so, die sie kannten«, sagt Marino. »Und das werde ich der verdammten Jury liebend gern erzählen.«
»Keine hilfreiche Aussage, aber das heißt nicht, dass Sie jemanden ermordet haben«, sagt McGovern zu mir.
»»Keine hilfreiche Aussage trifft den Nagel auf den Kopf«, murmelt Marino. »Verdammt, hoffentlich erzählt Anna Righter nicht, dass du das gesagt hast«, sagt er zu mir. »Das alles ist so absurd«, erwidere ich. »Tja«, meint Marino, »ja und nein, Doc.«
»Du musst mit mir nicht darüber sprechen«, sage ich zu ihm. »Bring dich nicht in eine blöde Lage, Marino.«
»Scheiße, Mann!« Er winkt mir ab. »Ich weiß, dass du die verdammte Schlampe nicht umgebracht hast. Aber du musst die Sache auch mal von der anderen Seite sehen. Du hattest Probleme mit ihr. Sie hat versucht, dich loszuwerden. Seit Bentons Tod verhältst du dich ein bisschen seltsam, oder zumindest behaupten das die Leute, richtig? Du hattest einen Zusammenstoß mit Bray auf einem Parkplatz. Es heißt, du wärst eifersüchtig gewesen auf diese neue Polizistin, dieses hohe Tier. Sie hat dich in ein schlechtes Licht gerückt und sich über dich beschwert. Deswegen hast du sie umgebracht und es s o aussehen lassen, als wäre es derselbe Kerl gewesen, der Kim Luong niedergemetzelt hat. Und wer wäre dazu besser in der Lage als du? Wer könnte den perfekten Mord besser begehen als du? Und du hattest Zugang - zu allen Beweisen. Du hättest sie zu Tode prügeln können und Wolfmanns Haare auf ihrer Leiche platzieren, du hättest die Abstriche vertauschen können, damit seine DNS gefunden wurde. Und es macht sich auch nicht gut, dass du die Beweise aus dem Pariser Leichenschauhaus mitgebracht hast. Oder diese Wasserprobe entnommen hast. Ich sage es nicht gern, aber Righter hält dich für verrückt. Und ich muss hinzufügen, dass er dich persönlich nicht mag und nie gemocht hat, weil er ein Kastrat ist und mächtige Frauen nicht ausstehen kann. Und wenn ihr's wissen wollt, er mag auch Anna nicht. Und das mit Berger ist seine beste Rache. Die hasst er wirklich.« Schweigen. »Ich frage mich, ob sie auch mich vorladen werden«, sagt Lucy.
20
»Dich hält Righter auch für verrückt«, sagt Marino zu meiner Nichte. »Der einzige Punkt, in dem wir uns einig sind.«
»Ist es möglich, dass Rocky etwas mit der Familie Chandonne zu tun hat?« McGovern blickt zu Marino. »Früher? Haben Sie das ernst gemeint, als Sie sagten, sie fragten sich?«
»Hm.« Marino schnaubt. »Rocky hatte sein verdammtes Leben lang mit Kriminellen zu tun. Aber woher soll ich wissen, was er mit seiner Zeit Tag für Tag, Monat für Monat anfängt? Nein. Ich kann es nicht beschwören. Ich weiß nur, was er ist. Abschaum. Der geborene Abschaum. Schlechte Gene. Was mich angeht, ist er nicht mein Sohn.«
»Aber er ist dein Sohn«, sage ich.
»Nicht in meiner Geschichte. Er schlägt nach der falschen Seite der Familie«, sagt Marino hartnäckig. »In New Jersey gab es gute und schlechte Marinos. Ich hatte einen Onkel, der für die Mafia arbeitete, ein anderer war bei der Polizei. Zwei Brüder so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Und als ich vierzehn war, ließ mein Scheißonkel Louie meinen anderen Onkel umbringen - den Onkel, der Polizist war, er hieß auch Pete. Ich wurde nach ihm benannt. Onkel Pete wurde in seinem Vorgarten erschossen, als er seine beschissene Zeitung holte. Wir konnten nie beweisen, dass Onkel Louie dahinter steckte, aber alle in der Familie glaubten es. Ich glaube es heute nacht.«
»Und wo ist dein Onkel Louie heute?«, fragt Lucy, als Anna mit Marinos Drink zurückkehrt.
»Ich habe gehört, dass er vor zwei Jahren gestorben ist. Ich hatte keinen Kontakt mehr zu ihm. Hatte nie etwas mit ihm zu tun.« Er nimmt das Glas von Anna. »Aber Rocky ist sein Ebenbild. Schon als Kind sah er aus wie er, und er war vo m ersten Tag seines Lebens an verdorben, verzogen, ein Stück lebende Scheiße. Warum glaubt ihr, hat er den Namen Caggiano angenommen? Weil das der Mädchenname meiner Mutter ist und Rocky
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