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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Detective Stanfield spricht. »Und die beiden sind nicht nur Freunde? Erzählen Sie mir, woher Sie das so genau wissen. Ja, ja, Hm. Was? Ob ich verstanden habe? Himmel, nein, ich habe nicht verstanden. Das ergibt kein Fünkchen Sinn, Stanfield.« Marino marschiert in der Küche auf und ab, während er telefoniert. Er ist kurz davor, Stanfield den Kopf abzureißen. »Wissen Sie, was ich Leuten wie Ihnen sage, Stanfield?«, schreit Marino ihn an. »Ich sage ihnen, sie sollen mir verdammt noch mal aus dem Weg gehen. Mir ist scheißegal, wer Ihr Scheißschwager ist, verstanden? Er kann mir den Arsch küssen und ihm eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen.« Stanfield versucht offenbar, Marino zu unterbrechen, aber er hat keine Chance.
    »Mannomann«, murmelt McGovern, und ich wende meine Aufmerksamkeit wieder dem Wohnzimmer und meinem eigenen Schlamassel zu. »Ist derjenige für die beiden Männer zuständig, die mutmaßlich gefoltert und ermordet wurden? Mit wem immer Marino spricht?«, fragt McGovern.
    Ich werfe ihr einen merkwürdigen Blick zu, als eine noc h merkwürdigere Empfindung Besitz von mir ergreift. »Woher wissen Sie von den beiden Männern, die ermordet wurden?« Ich suche nach einer Antwort, die mir immer wieder entwischt. McGovern war in New York. Ich habe die Autopsie des zweiten John Doe noch nicht durchgeführt. Wieso scheinen plötzlich alle allwissend zu sein? Ich denke an Jaime Berger. Ich denke an Gouverneur Mitche ll und an den Abgeordneten Dinwiddie und an Anna. Ein starker Angstgeruch scheint plötzlich die Luft zu verpesten wie Chandonnes Körpergeruch. Ich bilde mir ein, dass ich ihn wieder rieche, und mein zentrales Nervensystem hat eine heftige Reaktion. Ich fange an zu zittern, als hätte ich eine Kanne starken Kaffee oder ein halbes Dutzend dieser kubanischen, stark gezuckerten Espressi, genannt Colaaas, getrunken. Mir wird klar, dass ich mehr Angst habe als je zuvor in meinem Leben, und ich beginne das Undenkbare zu denken: Vielleicht war ein Körnchen Wahrheit in Chandonnes scheinbar absurder Behauptung, er sei das Opfer einer riesigen politischen Verschwörung. Ich bin paranoid, und das nicht zu Unrecht. Ich versuche, mich zur Vernunft zu rufen. Schließlich ermittelt man gegen mich wegen der Ermordung einer korrupten Frau, die wahrscheinlich Verbindungen zum organisierten Verbrechen hatte.
    Ich merke, dass Lucy mit mir spricht. Sie ist aufgestanden und zieht einen Stuhl neben mich. Sie setzt sich, neigt sich zu mir, berührt meinen guten Arm, als wollte sie mich aufwecken. »Tante Kay?«, sagt sie. »Hörst du mir zu, Tante Kay?« Ich sehe sie an. Marino vereinbart mit Stanfield ein Treffen für morgen Vormittag. Es klingt wie eine Drohung. »Er und ich haben bei Phil's ein Bier getrunken.« Sie blickt zur Küche, und ich erinnere mich, dass Marino mir am Vormittag erzählte, er würde sich am Nachmittag mit Lucy treffen, weil sie Neuigkeiten für ihn hätte. »Wir wissen von dem Typ im Motel.« Damit meint sie sich selbst und McGo vern, die reglos vor dem Feuer sitzt, mich ansieht und wartet, wie ich reagiere, wenn sie mir den Res t erzählt. »Teun ist seit Samstag hier«, sagt Lucy. »Erinnerst du dich, wie ich dich aus dem Jefferson angerufen habe? Teun war schon da. Ich hatte sie gebeten, sofort zu kommen.«
    »Oh.« Mehr fällt mir dazu nicht ein. »Das ist gut. Der Gedanke, dass du allein im Hotel bist, hat mir nicht gefallen.« Meine Augen schwimmen in Tränen. Es ist mir peinlich, und ich wende meinen Blick von Lucy und McGovern. Man erwartet von mir, dass ich stark bin. Ich bin diejenige, die ihre Nichte immer wieder aus Schwierigkeiten gerettet hat, die meisten davon selbst verschuldet. Ich war die Fackelträgerin, die sie den rechten Weg entlang führte. Ich habe sie durchs College gepaukt. Ich habe ihr Bücher und ihren ersten Computer gekauft und sie jeden Kurs machen lassen, den sie irgendwo im Land machen wollte. Ich habe sie in einem Sommer nach London mitgenommen. Ich habe jedem die Stirn geboten, der Lucy etwas anhaben wollte, einschließlich ihrer Mutter, die mich für meine Mühen nur beschimpfte. »Du sollst Respekt vor mir haben«, sage ich zu meiner Nichte, als ich mir mit der Hand die Tränen wegwische. »Wie kannst du das jetzt noch?« Sie steht wieder auf und blickt auf mich herunter. »Das ist totale Scheiße«, sagt sie mit Nachdruck. Und jetzt kommt auch Marino ins Wohnzimmer zurück, einen weiteren Bourbon in der Hand. »Es geht doch nicht darum, ob ich

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