Das letzte Revier
Luft ein, um mich zu beruhigen und die überwältigende n Gefühle niederzuringen. Berger ist so anständig, mir einen Augenblick Zeit zu lassen. Sie steht ein paar Schritte hinter mir, als ich den Schlüssel in das Loch stecke. Ich betrete den dunklen, kalten Flur und tippe den Alarmcode ein, als sich mir die Haare im Nacken aufstellen. Ich schalte das Licht an, starre blinzelnd auf den Medeco-Schlüssel aus Stahl in meiner Hand, und mein Herz schlägt schneller. Das ist Wahnsinn. Das kann nicht sein. Ausgeschlossen. Berger tritt leise durch die Tür hinter mir. Sie betrachtet die Wände und die gewölbte Decke. Bilder hängen schief. Schöne Perserteppiche werfen Falten, sind verrutscht und schmutzig. Nichts wurde zurück an seinen Platz gestellt. Es spricht von Verachtung, dass sich niemand die Mühe gab, den Puder für die Fingerabdrücke und den hereingeschleppten Dreck zu entfernen, aber nicht deswegen habe ich einen Ausdruck im Gesicht, der Bergers ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.
»Was ist los?«, fragt sie, die Hände am Pelzmantel, um ihn aufzuknöpfen. »Ich muss schnell telefonieren«, sage ich.
Ich erzähle Berger nicht, was los ist, was ich befürchte. Ich sage ihr nicht, dass ich nach draußen gegangen bin, um über Handy Marino anzurufen und ihn zu bitten, sofort herzukommen.
»Alles in Ordnung?«, fragt Berger, als ich zurückkehre und die Tür schließe.
Ich antworte ihr nicht. Selbstverständlich ist nicht alles in Ordnung. »Wo soll ich anfangen?« Wir haben zu tun. Sie will, dass ich genau rekonstruiere, was an dem Abend passierte, als Chandonne versuchte, mich zu ermorden, und wir gehen in das große Zimmer. Ich beginne mit dem weißen Sofa vor dem Kamin. Dort saß ich letzten Freitagabend und ging Rechnungen durch. Der Fernseher lief leise. In regelmäßigen Abständen wurde das Programm von einer Meldung unterbrochen, mit de r die Öffentlichkeit vor einem Serienmörder gewarnt wurde, der sich selbst Le Loup-Garou nannte. Informationen über seine genetisch bedingte Krankheit, seine extremen Missbildungen wurden bekannt gegeben. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, erscheint es mir nahezu absurd, dass ein ernsthafter Moderator des Lokalsenders von einem Mann sprach, der ungefähr eins achtzig groß ist, merkwürdige Zähne und einen Körper hat, der über und über mit langen, feinen Haaren bewachsen ist. Den Leuten wurde geraten, die Tür nicht zu öffnen, wenn sie nicht sicher waren, wer davor stand. »Ungefähr um elf«, sage ich zu Berger, »habe ich auf NBC geschaltet, und Augenblicke später ging meine Alarmanlage los. An der Garagentür hatte sich jemand zu schaffen gemacht, das war dem Display der Anlage zu entnehmen, und als der Sicherheitsdienst anrief, bat ich darum, die Polizei zu verständigen, weil ich keine Ahnung hatte, warum das Ding losgegangen war.«
»Ihre Garage ist also an die Alarmanlage angeschlossen«, sagt Berger. »Warum die Garage? Warum, glauben Sie, versuchte er in die Garage einzubrechen?«
»Um die Alarmanlage auszulösen, damit die Polizei kommen würde. Die Polizei kommt, fährt wieder. Dann taucht er auf. Er gibt sich als Polizist aus, und ich öffne die Tür. Gleichgültig, was andere sagen oder wie er sich auf dem Video anhört, er sprach englisch, perfektes Englisch. Vollkommen akzentfrei.«
»Er klang nicht wie der Mann auf dem Video«, sagt sie. »Nein. Bestimmt nicht.«
»Sie haben seine Stimme auf dem Band also nicht wieder erkannt?«
»Nein.«
»Sie glauben, dass er nicht wirklich in Ihre Garage eindringen wollte. Dass es ihm nur darum ging, den Alarm auszulösen«, hakt Berger nach. Wie immer macht sie sich keinerlei Notizen. »Ja. Ich glaube, so war es.«
»Und woher wusste er Ihrer Meinung nach, dass die Garage an die Alarmanlage angeschlossen war?«, fragt Berger. »Das ist ziemlich ungewöhnlich. Bei den meisten Leuten ist das nicht de r Fall.«
»Ich weiß nicht, ob er es wusste und wenn ja, woher.«
»Er hätte es stattdessen an der Küchentür versuchen können, weil dort die Alarmanlage mit Sicherheit losgegangen wäre, vorausgesetzt Sie hatten sie eingeschaltet. Und ich bin überzeugt, er wusste, dass sie eingeschaltet war. Wir können davon ausgehen, dass er wusste, wie viel Wert Sie auf Sicherheit legen, vor allem angesichts der Morde hier in der Gegend.«
»Ich habe keine Ahnung, was er sich gedacht hat«, sage ich etwas kurz angebunden.
Berger geht durch das Zimmer und bleibt vor dem steinernen Kamin stehen. Er ist
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